Dienstag, 25. August 2009

20. bis 26.08.2009, Pausentage in Ueruemqi

[Falk] Donnerstag, der 20.08.2009
Wir sind die ersten Europäer seit dem 05.07.2009, die hier in diesem Hotel abgestiegen sind. Das 5/7 wird bei den englisch sprechenden Chinesen genauso ausgesprochen, wie 9/11 bei uns. Man merkt überall in der Stadt, dass eine gewisse Anspannung in der Luft liegt. Wenn wir durch die Straßen schlendern, sehen wir überall Militär und Polizei an den Ecken stehen. Gestern entdeckten wir, dass auch auf den öffentlichen Gebäuden Militärs stehen. Wir finden dies zum einen beruhigend, da es echt schwachsinnig wäre jetzt einen Aufstand zu machen, aber auch irgendwie erdrückend und beängstigend. Ein Satz hat sich ganz besonders bei uns eingeprägt: „Bei den Uiguren kauft man nicht ein“. Dieser Satz ist symbolisch für die hiesige Situation. Ich möchte hier an dieser Stelle nicht weiter kommentieren. Ueruemqi ist unserer Meinung nach momentan eine sehr sichere Stadt. Wir haben erfahren, dass alleine in unserem Hotel 50 Polizisten leben. Diese haben bis Oktober reserviert. Heute machen wir nicht viel. Wir erholen uns nur von den letzten Tagen auf dem Rad. Wir sind nur etwas beunruhigt, ob unser Paket, wie berechnet, am Freitag in Ueruemqi ankommt und ob wir alles wieder instand setzen können. So eine Tour ist eine ganz schöne Prüfung für Mensch und Material. Und solch eine Reparatur wollten wir eigentlich vermeiden. Aber so richtig übelnehmen kann man das nach den Straßen in Kasachstan keiner Felge - und schon gar nicht bei dem Gewicht. Mal schauen, wie es unterm Felgenband aussieht.



[Falk] Freitag, der 21.08.2009
Einen Radladen, der auch ein einigermaßen gutes Shimano Sortiment hat, haben wir gestern in der Innenstadt gefunden. Nach einer langen Unterhaltung können wir wahrscheinlich hier unsere Laufräder neu einspeichen lassen. Ich werde denen beim Einspeichen nicht von der Seite weichen. Ich habe keine Lust, dass wir nach dieser Aktion aller 100 km Speichen wechseln müssen, weil das Rad schlecht aufgebaut ist. Ich würde es ja auch selber machen, habe aber leider nur theoretisches Wissen. Die Praxis fehlt mir da komplett.
Ich mache mir ein wenig Sorgen. Falls unser Paket nicht ankommen sollte, haben wir ein echtes Problem. Wir finden hier zwar gute 26" Felgen und die wahrscheinlich auch mit 32 Löchern, aber eine gute 20'' Felge zu finden ist wahrscheinlich nur schwer möglich. Alles andere, was wir bestellt haben, ist schon improvisiert oder mit hiesigen Mitteln irgendwie reparabel. Von Frank, den wir in der Ukraine getroffen haben, haben wir erfahren, dass es manchmal auch zehn Tage länger als gedacht dauern kann, bis ein Paket an seinem Bestimmungsort in China ankommt. Wir werden diese Zeit wahrscheinlich nicht aussitzen können und überlegen uns einen Plan B.
Wir möchten heute mal kein chinesisches Essen. Wir entscheiden uns, in das hotelnahe Curryhouse zu gehen. Als wir die Bestellung aufgeben wollen, werden wir mit einem gutem Englisch überrascht. Nunu, eine 25jährige Chinesin die fünf Jahre in Seattle gelebt hat, hilft uns bei der Bestellung. Später erfahren wir, dass sie die Chefin ist und das Restaurant zwei Tage vor 5/7 eröffnet hat. Sie lacht und meint, dass es kein guter Zeitpunkt war.



Sie fragt uns, ob wir irgendwelche Hilfe benötigen. Ich erkläre ihr unsere Lage. Sie bietet an, falls wir einen Übersetzer benötigen, uns zu begleiten.
Nachtrag, 22:00 Uhr [Falk]
Das Paket ist nicht angekommen. Wir entscheiden uns, bis zum 24. August zu warten. Wenn es bis dahin nicht da ist, werden wir in Ueruemqi auf Felgensuche gehen.



[Falk] Samstag, der 22.08.2009
Heute wird wieder so ein Tag zwischen Hoffen und Bangen. Leider haben wir momentan keinen Kontakt nach Deutschland. Wir wissen also keinen aktuellen Stand. Wir wissen auch nicht, wie lange wir warten müssen, damit man eventuell über die Paketversicherung das Geld für die versäumte Zustellung zurück bekommt. Ohne Internet ist so ein Sachverhalt auch schwer nachzuvollziehen. Es ist deprimierend. Wir geben heute der Rezeption unsere Mobilnummer. Wir haben keine Lust mehr, uns immer in der Nähe des Hotels aufzuhalten. Gegen Nachmittag ruft Thomas an. Endlich! Katja und er reden ein wenig über unsere Belange und Erlebnisse. Wir erfahren, dass das Paket erst am 20. August in China angekommen ist. Wir sind frustriert.
Nachtrag, 22 Uhr. Das Paket ist nicht angekommen.





[Falk] Sonntag, der 23.08.2009
Wir wollen heute ein wenig mehr die Stadt erkunden. Den Tag starten wir erst gegen 12 Uhr mit einer Wanderung zum Roten Berg, der mitten in der Stadt liegt. Wir benötigen auf Grund der bescheidenen Wegführung knapp zwei Stunden bis dahin. Wir sind sehr überrascht. Denn der Park und der Berg sind sehr große Anziehungspunkte in der Stadt und voll mit Touristen. Der Hotelmanager erzählte mir, dass eine Million weniger Menschen in diesem Jahr Ueruemqi besuchen werden. Viele haben aus Angst vor neuen Anschlägen Flug und Hotel gecancelt. Trotzdem ist dieser Park unserer Meinung nach ziemlich voll. Überall kann man mit MG-Attrappen auf Luftballons schießen. Mann muss ja in Übung bleiben ;).



Wir besteigen den Berg und merken, dass unsere Muskeln nur noch Radfahren gewöhnt sind. Wir sind ziemlich platt als wir oben sind. Wir haben von hier eine herrliche Sicht auf die Stadt. Wir fahren noch eine Runde mit dem Riesenrad und steigen ab. Wieder kein Paket angekommen und Morgen werden wir auf eigene Faust versuchen, ordentliches Material zu bekommen. Ich habe einen guten Eindruck von den Leuten und von ihren Fähigkeiten. Wir werden also die Reparatur schon irgendwie hinbekommen. Ich rufe noch Nunu an und verabrede mich mit ihr am nächsten Morgen, um mit ihr zusammen zum Giant-Laden zu fahren. Katja wird in der Nähe des Hotels bleiben, falls das Paket doch noch ankommt.

[Falk] Montag, der 24.08.2009
Leider kommt das Paket auch bis 10 Uhr nicht im Hotel an. Da wir nicht länger warten können, entscheiden wir uns auf die Suche nach Felgen zu gehen. Ich peile zusammen mit Nunu den Giant-Laden an. Wir fahren natürlich mit dem Liegetandem. Nunu ist cool drauf und freut sich riesig. Als wir ankommen muss ich den Jungs erst mal alles erklären. Das warum, wieso und weshalb. Ich merke, wie bei der Übersetzung die Augen von ihnen immer größer werden. Das erste Problem ist, dass sie keine geeignete Hinterradfelge haben. Aber die haben richtig gute Kontakte. Nach einer halben Stunde steht ein Typ mit einem 10.000 EUR Dirtbike da und meint, er könne uns die stärkste Felge Xingjiangs besorgen. Ich stimme zu und muss beim Preis etwas schmunzeln. In Deutschland hätte diese Felge wahrscheinlich 120 EUR gekostet. Hier werde ich sie für 40 EUR bekommen. Er fährt los und nach zwei Stunden steht er mit einer MAVIC E 729DISC Felge in der Tür. Diese ist fast so groß wie unsere alte. Der Mechaniker, der einspeicht, meint aber, dass er unsere mitgebrachten Speichen nicht verwenden kann. Ich bin nicht sehr erfreut darüber, aber bis Peking wird es schon irgendwie gehen. Blöd ist eben nur, dass wir nicht wissen, wann das Paket kommt. Er fängt an die Rohloff auszuspeichen. Ich kann gar nicht hin schauen und nach 20 Minuten ist sie blank.



Dann setzt er seine Speichen ein. Nach ein paar Minuten merkt er, dass die doch zu lang sind. Er speicht alles wieder aus und versucht meine aus Deutschland mitgebrachten Speichen. Diese Speichen sind Sapin DD 2, 1.8, 2 mm, etwas, was man im hiesigem Ausland fast nie bekommt. Da muss man schon sehr viel Glück haben. Leider sind unsere Speiche einen Millimeter zu kurz. Meiner Meinung und des „Einspeichers“ Meinung nach sollte dies kein Problem sein. Als er fertig ist fällt mir ein Stein vom Herzen.



Ein anderer Mechaniker ist immer noch am telefonieren. Es fehlt ja noch das Vorderrad. Er meint, dass er uns eine „ALEX“ Felge in 20 Zoll für das Vorderrad in zwei Tagen aus Shanghai besorgen kann. Ich bin ziemlich erleichtert. Wir müssen zwar noch einen Tag verlängern, aber wir bekommen zumindest unsere Laufräder wieder richtig repariert. Am Abend kommt dann noch die Chefin des Giant-Ladens vorbei. Die hat ein Jahr in Dresden studiert (wie geil). Wir können sogar ein wenig deutsch miteinander sprechen. Sie sagt zu mir, dass ihre Angestellten voll für uns zur Verfügung stehen und ich nur das Material bezahlen muss. Cool, danke!


















[Falk] Dienstag, der 25.08.2009
Das Telefon im Zimmer klingelt, es ist aber keiner in der Leitung. Ich unterbreche das Frühstück und gehe an die Rezeption. Die Damen da schauen mich erst an und zeigen dann mit Freude auf ein riesiges Paket aus Deutschland. Es ist angekommen und wir können jetzt alles richten. Wir sammeln uns schnell und entscheiden, heute am Rad alles fertig zu basteln, um Morgen weiter fahren zu können. Wir suchen alles was wir für die Reparatur benötigen zusammen und fahren Richtung Giant-Laden. Die Jungs da sind überrascht, sind wir doch erst für Morgen verabredet. Ich zeige ihnen alles was wir aus Deutschland zugesandt bekommen haben. Wir fangen an, das Fahrrad zu richten. Zuerst wird das Vorderrad ausgespeicht. Jetzt sehen wir das ganze Übel.

Meine Fresse! Die Felge ist einmal komplett in der Mitte gerissen. Ich weis ehrlich gesagt gar nicht wie wir es bis hierher geschafft haben, dass ist einfach nur Glück gewesen.


Desweiteren wechseln wir noch Katjas Sitz, die Air Sound, den vorderen Gepäckträger und die Kettensschläuche. Die Jungs im Giant-Laden sind richtig glücklich, dass Sie ihr Werk von gestern heute vollenden können und wir sind richtig glücklich, dass unser Fahrrad bis auf ein paar Kratzer wieder wie am ersten Tag strahlt. Was meint Ihr? Blau steht unserem „Georg“ doch gut, oder?
Im Giant-Laden lernen wir Konrad und Daniel kennen, Konrad kommt aus Australien und Daniel aus England. Konrad hat ein Problem mit seinem Hinterrad und war deshalb auch im Giant-Laden unterwegs. Er lächelte etwas über meinen deutschen Akzent und erzählt, dass er für ein Jahr in Deutschland war. Ich vermache den beiden unsere zwei übrigen Marathon XR Mäntel. Wir können mit denen leider nichts anfangen. Manch anderer hätte sich ein Bein dafür ausgerissen, um mit solch guten Reifen zu fahren. Die beiden starten in den nächsten Tagen mit ihren Rädern nach Kasachstan, Kirgistan und Usbekistan. Da sie in China leider kein geeignetes Kartenmaterial kaufen können und das Internet hier nicht funktioniert, überlassen wir ihnen unsere Zentralasienkarte und geben einige wichtige Infos und Tipps für ihre Reise. Die beiden bedanken sich tausend Mal bei uns und wir haben wieder einmal einen netten Abend mit neuen Freunden.


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