[Falk] Wir fuhren heute morgen bei strahlendem Sonnenschein und sehr warmer Temperatur Richtung Donetsk. Diese Gegend ist durch Kohleabbau sehr geprägt. Das erinnerte mich mächtig an Espenhain und die Umgebung um Leipzig. Nur hier sind die alten Stinker noch in Betrieb. Gelbe, nach Schwefel riechende Rauchschwaden, qualmen aus den Schornsteinen der Kohlekraftwerke. So ähnlich muss es wohl zu DDR-Zeiten gerochen und ausgesehen haben.
Nach 20 km erreichten wir den äußeren Gürtel von Donetsk. Nun fuhren wir auf einer Autobahn in das Zentrum. Wir haben uns echt Gedanken gemacht, wie wir die Stadt durchqueren sollen. Es sollte in einem Ruck, ohne anzuhalten gehen, um dann schnell wieder aus der Stadt raus zu sein.
Nach weiteren acht km in der Stadt Richtung Zentrum hatten wir aber schon einige Körner verschossen. Es ging von 60 Meter auf 220 Meter hoch, wieder runter und wieder hoch. Wir haben düstere Ecken, stinkende Gullis, abgewrackte Menschen und das ganze Elend der Ukraine versammelt in dieser Stadt erwartet. Dies waren zumindest die Beschreibungen und Vorurteile einiger Ukrainer. Wir wurden so richtig enttäuscht. Donetsk ist eine moderne und sehr schöne Stadt. Gute Straßen, nette Einkaufsmöglichkeiten und sehr sauber. Nach 15 km in der Stadt hatten wir kein unsicheres Gefühl mehr und machten an einer UniCredit-Filiale eine größere Pause. Wir unterhielten uns sogar mit ein paar Leuten. Ich holte noch Geld und dann fuhren wir weiter Richtung Charyz'k. Wenn ich drüber nachdenke, ist diese Stadt meiner Meinung nach schöner als Kiew und Dnipropetrovsk.
Drei Tage sind wir nun wieder gefahren. Es ist also mal wieder Zeit für eine Pause. Katja und ich haben uns entschieden, dass, wenn wir was Nettes finden, die nächsten Tage an diesem Ort verweilen. Es sind nicht mal mehr 120 km bis zur russischen Grenze und wir haben noch neun Tage Zeit. Wir kamen nach knapp 70 km an einem Hotel an. Ein sehr schönes Drei-Sterne-Hotel 30 km außerhalb von Donetsk, ganz im Osten der Ukraine. Als ich in das Hotel ging, wurde ich von einer riesigen, schönen Eingangshalle begrüßt. Die Hausdame schaute mich etwas verwundert an und als ich ihr erklärte, dass wir ein Zimmer haben wollen, musterte sie mich von oben bis unten. Ich muss in ihren Augen ein jämmerliches Bild abgegeben haben. Dreckig von der Fahrerei auf den ukrainischen Straßen, stinkend vom Schweiß, eine am Knie zerrissene, ölverschmierte Hose und in Sandalen mit Socken. Sie meinte dann, dass es momentan nicht gut aussieht. Sie wies mich dann darauf hin, dass hier die Zimmer 30 EUR kosten. In der Ukraine ist das ein unverschämt hoher Preis. Ich erklärte ihr, dass wir Touristen aus Deutschland sind, mit dem Rad reisen und durchaus liquide sind. Sie zeigte mir dann ein Zimmer. Ich stimmte zu und fragte, ob wir die nächsten sechs Tage hier bleiben können. Das verunsicherte sie ein wenig. Sie ging fragend zu ihrem Chef, der daraufhin zustimmte.
Wir haben jetzt sechs Tage in einem superschönen Hotel, bei einem für uns angemessenen Preis, Urlaub vom Urlaub. Es gibt dauerhaft fließend warmes Wasser, die Armaturen im Bad sind nicht hoffnungslos verkalkt und im Empfangsraum gibt es ZDF. Das Wichtigste ist, dass wir unser Bike sicher abstellen können und das ist hier mit einem dauerhaften Security gewährleistet. Die Hausdame hat nach dem ok ihres Chefs auch ihren Frieden mit uns geschlossen. Ich konnte ihr sogar ein Lächeln abgewinnen. Sie zeigte mir noch, dass es im Haus eine eigene Wäscherei gibt. Wow, was für ein Luxus.
Jetzt musste ich dann noch einmal unbedingt mitkommen. Wir gingen zur Rezeption und sie zeigte auf das Gästebuch. Im Haus sind fünf Monteure aus Deutschland abgestiegen. Um 19 Uhr wurden wir ihnen vorgestellt. Waldemar, ein Mitte 30-jähriger Spätaussiedler aus Kirgisien, mit perfekten Deutsch- und Russischkenntnissen, empfing uns sehr herzlich. Er wusste in dem Moment noch nichts von uns. Er fing gleich an mit: „Ok, ich kläre euch mal über die Ukraine auf. Ihr müsst' wissen...“. Ich unterbrach ihn freundlich und meinte, dass wir schon seit über einem Monat hier sind und kurz vor der Ausreise aus der Ukraine stehen. Er lachte und meinte: „Na, dann kennt ihr ja alle Tücken schon“. Wir erzählten den Herren unsere Geschichte. Ein sehr netter Abend. Einige von ihnen sind schon seit fünf Wochen hier und müssen noch drei weitere hier arbeiten. Für die ist das eine sehr triste Angelegenheit. Keine Freunde, keine Familie, weit weg von zu Hause und das Hotel-Leben. Wir stießen dann auf etwas Unverständnis, als wir ihnen erklärten, dass wir sehr gerne durch die Ukraine gereist sind. Die Monteure haben hier nicht das erlebt, was wir erlebt haben. Außer der Armut in der Ukraine, der Fabrik und dem Hotel haben die nicht viel gesehen. Wenn sie hier über ihren Tellerrand schauen wollten, würden sie als Ausländer gnadenlos abgezockt werden. Für die Männer ist es teilweise ein unangenehmer Arbeitsaufenthalt, der dafür aber wahrscheinlich nicht schlecht bezahlt wird.
Die fünf bauen in einem Röhrenwerk ganz in der Nähe eine Maschine auf. Wir werden also noch ein paar Tage Deutsch sprechen können.
Samstag, 23. Mai 2009
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