Donnerstag, 28. Mai 2009

22. bis 29.05.2009 Urlaub in Charyz'k

[Falk] Ok, wir haben es geschafft, wir haben die Pause unbeschadet überstanden. Man muss aber sagen, dass es hier nicht ganz einfach war. Wir sind im ärmlichsten Teil der Ukraine gelandet. Unser Hotel war, soweit wir Einblick hatten, die einzige funktionierende Oase im Umfeld von 30 km. Hier gibt es den ganzen Tag fließend warmes Wasser, Strom und sogar Internet. Nach Berichten von Waldemar und unseren Erfahrungen, ist das hier bei der Bevölkerung nur zeitweise gegeben. 

Es war also möglich, die letzten Tage viel an unserer Seite zu basteln. Katja hat die Route in Google Maps zusammen geklickt und ich habe endlich mal das Gästebuch aus dem Google Cache geholt und übernommen. Danke an dieser Stelle für die vielen Einträge. 
Wir haben unsere Sachen auf Vordermann gebracht, die Reisetaschen innen und außen gereinigt, Klamotten waschen lassen etc. 
Die Schattenseite an diesem Hotel war, dass wir hier in einem goldenen Käfig saßen. Nach dem wir die Stadt mit Waldemar per Taxi gesehen hatten, getrauten wir uns nicht mehr mit dem Fahrrad rein. Seine Geschichten über einen Italiener, der hier letztes Jahr übel abgezogen wurde, taten ihr Übriges. Wir waren also nur noch in Gruppen mit den deutschen Monteuren unterwegs und das natürlich nur abends, weil die im Gegensatz zu uns arbeiten müssen. Es war also viel zu viel Zeit zum Totschlagen vorhanden. 

Von einem tollen Ereignis möchte ich jetzt dennoch etwas ausführlicher berichten. Wir haben einen neuen Ständer für das Fahrrad. Nach langer Suche, auch schon vor unserer Abfahrt, haben wir jetzt einen von reiner Handarbeit. Das Problem bei dem alten Fahrradständer war, dass man immer zu zweit Hand anlegen musste, um das Bike aufzustellen. Ich musste vorne das Bike 15-25 cm anheben. Katja musste gleichzeitig unter das Bike fassen, den Fahrradständer in die richtige Position versetzen und schauen, dass der Ständer gerade ist. Bei Asphalt ist das alles kein Problem, da hält der Ständer das Fahrrad wunderbar. Nur bei losem Untergrund sinkt er sofort ein. Ich musste dann das Bike halten und Katja musste etwas suchen, was man unter den Ständer stellen kann, damit dieser gerade steht. Diese Prozedur dauerte solange, bis wir sicher waren, dass das Fahrrad auch gut steht. Ich erzählte Waldemar von unserem Problem. Er bot mir sofort seine Hilfe an. Daraufhin gingen wir in die Stadt und suchten einen Seitenständer für Mopeds. Diese waren leider alle zu kurz und unser Fahrrad hat natürlich auch keine Vorrichtung für solch einen Ständer. Waldemar meinte dann, dass dies alles kein Problem sei und er auf Arbeit in seiner Pause an diesem Ständer arbeiten kann. Wir kauften also den viel zu kurzen Mopedständer. Ich solle ihm nur eine Skizze zeichnen und erklären, wie das Ding funktionieren muss. Zwei Tage später hatte ich den verlängerten Mopedständer und die Vorrichtung dafür in der Hand. Er hatte es geschafft, aus dem nichts einen Seitenständer zu basteln. Dieser erste Versuch war etwas wackelig und die Vorrichtung für die Feder war noch nicht richtig platziert. Er fragte bei einer Autowerkstatt nach Hilfe. Ich fuhr dann also mit dem Sohn des Besitzers in diese Werkstatt. Dort wurde dann die Halterung geringfügig umgebaut.

Jetzt ist das Ding perfekt!

Wir werden zur Sicherheit den alten Ständer für die ersten Kilometer noch mitnehmen, aber ich denke wir haben eine sehr gute Lösung gefunden. Jetzt ist es eben nur noch absteigen, mit dem Ständer füßeln und fertig. 
Morgen geht es endlich wieder weiter - Richtung russische Grenze. Endlich wieder fahren, denn wir haben schon richtig große Hummeln unterm Hintern!

Samstag, 23. Mai 2009

Donnerstag, der 21.05.2009 Charyz'k

[Falk] Wir fuhren heute morgen bei strahlendem Sonnenschein und sehr warmer Temperatur Richtung Donetsk. Diese Gegend ist durch Kohleabbau sehr geprägt. Das erinnerte mich mächtig an Espenhain und die Umgebung um Leipzig. Nur hier sind die alten Stinker noch in Betrieb. Gelbe, nach Schwefel riechende Rauchschwaden, qualmen aus den Schornsteinen der Kohlekraftwerke. So ähnlich muss es wohl zu DDR-Zeiten gerochen und ausgesehen haben.
Nach 20 km erreichten wir den äußeren Gürtel von Donetsk. Nun fuhren wir auf einer Autobahn in das Zentrum. Wir haben uns echt Gedanken gemacht, wie wir die Stadt durchqueren sollen. Es sollte in einem Ruck, ohne anzuhalten gehen, um dann schnell wieder aus der Stadt raus zu sein.
Nach weiteren acht km in der Stadt Richtung Zentrum hatten wir aber schon einige Körner verschossen. Es ging von 60 Meter auf 220 Meter hoch, wieder runter und wieder hoch. Wir haben düstere Ecken, stinkende Gullis, abgewrackte Menschen und das ganze Elend der Ukraine versammelt in dieser Stadt erwartet. Dies waren zumindest die Beschreibungen und Vorurteile einiger Ukrainer. Wir wurden so richtig enttäuscht. Donetsk ist eine moderne und sehr schöne Stadt. Gute Straßen, nette Einkaufsmöglichkeiten und sehr sauber. Nach 15 km in der Stadt hatten wir kein unsicheres Gefühl mehr und machten an einer UniCredit-Filiale eine größere Pause. Wir unterhielten uns sogar mit ein paar Leuten. Ich holte noch Geld und dann fuhren wir weiter Richtung Charyz'k. Wenn ich drüber nachdenke, ist diese Stadt meiner Meinung nach schöner als Kiew und Dnipropetrovsk.

UniCredit

Drei Tage sind wir nun wieder gefahren. Es ist also mal wieder Zeit für eine Pause. Katja und ich haben uns entschieden, dass, wenn wir was Nettes finden, die nächsten Tage an diesem Ort verweilen. Es sind nicht mal mehr 120 km bis zur russischen Grenze und wir haben noch neun Tage Zeit. Wir kamen nach knapp 70 km an einem Hotel an. Ein sehr schönes Drei-Sterne-Hotel 30 km außerhalb von Donetsk, ganz im Osten der Ukraine. Als ich in das Hotel ging, wurde ich von einer riesigen, schönen Eingangshalle begrüßt. Die Hausdame schaute mich etwas verwundert an und als ich ihr erklärte, dass wir ein Zimmer haben wollen, musterte sie mich von oben bis unten. Ich muss in ihren Augen ein jämmerliches Bild abgegeben haben. Dreckig von der Fahrerei auf den ukrainischen Straßen, stinkend vom Schweiß, eine am Knie zerrissene, ölverschmierte Hose und in Sandalen mit Socken. Sie meinte dann, dass es momentan nicht gut aussieht. Sie wies mich dann darauf hin, dass hier die Zimmer 30 EUR kosten. In der Ukraine ist das ein unverschämt hoher Preis. Ich erklärte ihr, dass wir Touristen aus Deutschland sind, mit dem Rad reisen und durchaus liquide sind. Sie zeigte mir dann ein Zimmer. Ich stimmte zu und fragte, ob wir die nächsten sechs Tage hier bleiben können. Das verunsicherte sie ein wenig. Sie ging fragend zu ihrem Chef, der daraufhin zustimmte.

Hotel

Wir haben jetzt sechs Tage in einem superschönen Hotel, bei einem für uns angemessenen Preis, Urlaub vom Urlaub. Es gibt dauerhaft fließend warmes Wasser, die Armaturen im Bad sind nicht hoffnungslos verkalkt und im Empfangsraum gibt es ZDF. Das Wichtigste ist, dass wir unser Bike sicher abstellen können und das ist hier mit einem dauerhaften Security gewährleistet. Die Hausdame hat nach dem ok ihres Chefs auch ihren Frieden mit uns geschlossen. Ich konnte ihr sogar ein Lächeln abgewinnen. Sie zeigte mir noch, dass es im Haus eine eigene Wäscherei gibt. Wow, was für ein Luxus.

Jetzt musste ich dann noch einmal unbedingt mitkommen. Wir gingen zur Rezeption und sie zeigte auf das Gästebuch. Im Haus sind fünf Monteure aus Deutschland abgestiegen. Um 19 Uhr wurden wir ihnen vorgestellt. Waldemar, ein Mitte 30-jähriger Spätaussiedler aus Kirgisien, mit perfekten Deutsch- und Russischkenntnissen, empfing uns sehr herzlich. Er wusste in dem Moment noch nichts von uns. Er fing gleich an mit: „Ok, ich kläre euch mal über die Ukraine auf. Ihr müsst' wissen...“. Ich unterbrach ihn freundlich und meinte, dass wir schon seit über einem Monat hier sind und kurz vor der Ausreise aus der Ukraine stehen. Er lachte und meinte: „Na, dann kennt ihr ja alle Tücken schon“. Wir erzählten den Herren unsere Geschichte. Ein sehr netter Abend. Einige von ihnen sind schon seit fünf Wochen hier und müssen noch drei weitere hier arbeiten. Für die ist das eine sehr triste Angelegenheit. Keine Freunde, keine Familie, weit weg von zu Hause und das Hotel-Leben. Wir stießen dann auf etwas Unverständnis, als wir ihnen erklärten, dass wir sehr gerne durch die Ukraine gereist sind. Die Monteure haben hier nicht das erlebt, was wir erlebt haben. Außer der Armut in der Ukraine, der Fabrik und dem Hotel haben die nicht viel gesehen. Wenn sie hier über ihren Tellerrand schauen wollten, würden sie als Ausländer gnadenlos abgezockt werden. Für die Männer ist es teilweise ein unangenehmer Arbeitsaufenthalt, der dafür aber wahrscheinlich nicht schlecht bezahlt wird.
Die fünf bauen in einem Röhrenwerk ganz in der Nähe eine Maschine auf. Wir werden also noch ein paar Tage Deutsch sprechen können.

Mittwoch, der 20.05.2009 Marjinka

[Katja] Heute Morgen ließen Falk und ich den letzten Tag Revue passieren. Wir mussten noch ein mal sehr lachen. Ist schon echt Wahnsinn, was wir momentan hier erleben. Nun, am Anfang der Ukraine hatten wir beide richtig Angst, in dieses Land zu fahren. Wir haben von Mafia-Organisationen und schlimmen Menschen gehört. Selbst in der Ukraine haben uns Ukrainer vor ihren eigenen Leuten gewarnt. Es gab nur ein paar Ausnahmen, denen wir uns jetzt anschließen möchten. Diese sagten, dass es in der ganzen Ukraine „normal'no“ Menschen gibt. Also einfach gesagt, gute, ehrliche und nette Menschen. Man muss, wenn man in ein Gespräch kommt, schnell feststellen, ob es ok ist mit denen zu sprechen. Interessieren sie sich für uns oder nur für unser Geld. Wenn wir eine Situation gefährlich finden und uns die Leute komisch vorkommen, sagen wir einfach nur „Schnellstart“. Da lassen wir alles stehen und liegen und flitzen los; bedanken uns noch schnell und sind weg. 
Wenn wir eingeladen wurden, kam es immer von Herzen und unser Geld wurde immer energisch abgewiesen. Es ist noch zu früh, ein Fazit zu ziehen, aber bis hierher ist alles ziemlich gut gelaufen. Klar gab es ein paar blöde Situationen, diese sind aber nicht schlimmer, als wir sie auch in Deutschland hätten erleben können.
Wir haben eine nette Ferienwohnung 25 km vor Donetsk gefunden und verbringen hier eine Nacht, denn wir möchten noch etwas näher an die Grenze fahren. Deswegen werden wir morgen die angeblich sehr gefährliche Stadt in einem Ruck durchqueren und hinter uns lassen. Dann werden wir im äußersten Osten der Ukraine sein und uns eine Möglichkeit suchen, die nächsten Tage bis zum 01. Juni zu überbrücken.

Hotel

Dienstag der 19.05.2009 10 km hinter Iskra

[Falk] Heute morgen kam Evgeniy gegen acht Uhr vorbei. Er half uns, unser Gepäck nach unten zu bringen. Dann kam Jack und wir bedankten uns noch einmal herzlich bei ihr. Als wir gerade losfahren wollten meinte sie, dass wir noch mal zehn Minuten warten sollen. Ihr Vater ist Journalist und wolle noch über uns in der Zeitung schreiben. Es war so ein kleines Déjà-vu... Er kam dann auch, ich zeigte ihm unseren Zettel und er winkte ab, die Geschichte kenne er schon. Er schenkte uns ein Buch zum 300-jährigen Bestehen der Stadt. Wir gaben das Buch Jack und sagten zu ihr, dass Sie es doch bitte nach Leipzig senden solle. Sie signalisierte uns, dass sie das tun wird. Ihr Vater machte noch ein paar Fotos und wir fuhren los. Dass natürlich wieder die Sonne scheint, brauche ich schon gar nicht mehr zu schreiben, oder? Nach etwa 40 km machten wir Pause und es hielt ein Auto mit einem älteren Ehepaar an. Wir erzählten unsere Geschichte. Er ist Schulleiter und fragte uns, ob wir nicht seine Schule besuchen möchten. Nach zwölf km links, dann seht ihr sie schon. Wir fuhren weiter und erreichten die Schule. Nach einigen Erklärungen kam dann auch der Mann von der Straße und bat uns zu ihm ins Büro. Dann kamen noch ein paar Lehrer - und noch ein paar und der Hausmeister - dann war das Zimmer voll. Doch leider hatten die beiden Englischlehrer heute frei. Die Kommunikation beschränkte sich auf das nötigste. Ich fragte dann, ob sie Internet haben. Etwas verdutzt bejahten sie und meinten, dass sich das arrangieren ließe. Als der Rechner dann da war machte ich zwei Fenster auf - Deutsch zu Ukrainisch und Ukrainisch zu Deutsch. Das beeindruckte die Damen und Herren schon etwas. Wir tauschten ein paar Höflichkeiten aus und sie stellten uns unzählige Fragen. Es wurden reichlich Torte, Käse- und Wurstschnitten, Kekse und Kaffee aufgetischt. Dann tauchte die Musiklehrerin mit einem „Zerrwanst“ auf und stimmte das erste ukrainische Volkslied an.
Musikstunde
Alle stimmten mit ein, es klang wirklich herrlich. Sie fragte uns, ob wir denn ein Lied kennen. Katja meinte „Katjuscha“. Das kannten Sie natürlich und wir alle sangen dieses Lied. Sehr funny. Ich glaube, der Unterricht war dann ausgefallen. Als wir das Büro verließen und nach draußen gingen, standen ungefähr 50 Schüler um unser Fahrrad und staunten Bauklötze. Dann ging eine wilde Fotosession los. Wir mischten fleißig mit. Nach gefühlten 200 Autogrammen durften wir endlich wieder los. Was für eine geile Zeit hier in der Ukraine.
Gruppenbild
Nachdem wir die Schule verlassen hatten, sind wir noch 25 km gefahren und haben uns zum Wildcamping entschlossen. Dann hörten wir auf einmal Stimmen im Wald. Ich machte zwei Frauen und ein Kind ausfindig. Die sammelten hier Kiefernzapfen. Ob sie uns gesehen haben, wissen wir nicht. Ansonsten denken wir, dass es hier, außer der vielen Mücken, sicher ist. Gute Nacht.  

Montag 18.05.2009 Vasyl'kovka Pausentag

[Falk] Katja: „Hier war es noch nie schön!“, Falk: „Danke Katja, das habe ich auch gerade gedacht. Ich konnte es nur nicht in Worte fassen.“ 
Wir sind in einem Hotel mit einfachsten Verhältnissen. Daran gewöhnen wir uns langsam. Aber selbst das kann man doch etwas schöner machen, oder? Bett und Bettwäsche sind in Ordnung. Der Rest, sagen wir mal, verfallen, danach notdürftig geflickt und wieder verfallen, drüber gestrichen und abgeblättert. Echt geil. 
Das Wasser kommt tagsüber nur tröpfchenweise aus der Leitung, Nachts dann aber mit "Kärcherdruck". Warmes Wasser gibt es nicht, dafür einen Tauchsieder. Der Boden ist ein Flickwerk aus Linoleum, Teppich, Fliesen und Dielen. Die Fliesen im Bad sind mit roter Farbe gestrichen, wenn wir drüber wischen, kommen die gelben Fliesen darunter hervor. Aber es ist sauber, es stinkt nicht und wir haben Platz. 
Es ist uns jetzt schon zum wiederholten Male passiert, dass wir verfallene Ware eingekauft haben. Hier mal eine Sprite, die seit zwei Jahren abgelaufen ist, da mal ein Brot, das schimmelt und dort eine Schokolade, die drei Monaten über ist, etc.. Wir merken das leider meistens erst dann, wenn wir schon aus dem Laden raus sind. Rückgaberecht? Kann sein das es das gibt, nur in welcher Sprache sollen wir uns artikulieren? Jedes mal, wenn wir die Läden verlassen, schauen wir drauf. Wir müssen uns aber noch mehr dazu zwingen, schon im Laden zu kontrollieren. Eine weitere Lösung ist, einheimische Produkte zu kaufen. Denn die werden regelmäßig gekauft und da gibt es die wenigsten Probleme. Die Einkaufskultur hat sich in der Ukraine schon rapide geändert. Mit Ankunft haben wir gemerkt, dass es hier gar nicht so einfach ist, einkaufen zu gehen. Supermärkte wie wir sie kennen gibt es nur in großen Städten und da dann mit vier bis fünf Securitys, die alles genau anschauen. Außerdem muss man in diesen Supermärkten seine Tasche abgeben oder in Schränke einschließen. Dafür gibt es überall, auch auf dem Land, Produktys und Magazine. Die haben jeden Tag geöffnet. Da kann man aber nicht einfach rein gehen und einkaufen. Man steht viel mehr wie in einem deutschen Schmuckgeschäft hinterm Tresen und wird bedient. Wenn zwei bis drei Leute vor einem stehen, kann sich das dann auch eine Weile hinziehen. Je nachdem, wie gut oder schlecht die Dame hinter dem Tresen gelaunt ist, versteht sie uns - oder eben nicht. Käse z.B. heißt Syr, wird aber eher wie Sierh gesprochen. Wenn man Syr sagt, versteht das keine Sau! Wie in Deutschland gibt es in jeder Region einen anderen Dialekt. Das macht es eben etwas schwieriger. Mit darauf zeigen verstehen es vielleicht 50% und der Rest hat keine Lust oder will es nicht verstehen.

Heute begleitete uns den ganzen Tag Evgeniy, der nette junge Mann von gestern Abend. Pünktlich gegen neun Uhr war er da und wollte uns verabschieden. Seine Freude war groß, als wir ihm sagten, dass wir noch einen Tag bleiben wollen. Für ihn die einmalige Chance, Englisch zu sprechen. Er lernt die Sprache autodidaktisch. Wir reden den ganzen Morgen über Fußball, Bayern und vor allem München. Wir verabredeten uns erneut für den Nachmittag. Er kam wieder und brachte einen Reiseführer in Russisch für München mit. Wir versuchten ihm die Stadt zu erklären. Im Reiseführer sieht die Stadt noch mal schöner aus. Wir wollten ein paar Besorgungen machen, als die Administratorin (Jack) vorbei kam und uns Borschtsch (Eintopf) brachte. Wir hatten nur gerade keinen Hunger, denn wir hatten erst gefrühstückt. Nachdem wir einkaufen waren, nahm uns Jack an die Hand und zeigte auf ihr Auto. Dann fuhren wir zu einer kleinen Kirche am Rande der Stadt. Diese war wirklich sehr klein und nicht gerade beeindruckend. Evgeniy war natürlich dabei und übersetzte fleißig. Dann fragte er uns, ob wir noch die „rote Kirche“ sehen möchten. Sie wäre eine halbe Stunde mit dem Auto entfernt. Wir wollten keine Umstände machen, aber so richtig verstanden hat er uns nicht. Nach einem Telefonat mit dem Vater von Evgeniy wusste dann auch Jack, wo wir lang müssen. Nach etwa 25 Minuten erreichten wir die Kirche. 

Wir haben ihn gefunden, den schönsten Ort der Ukraine. 

Rote Kirche

Hier lebte und wirkte der Dichter Ivan Manschura. Wir kannten ihn bis dahin noch nicht. Das änderte sich heute. Die Frau in dieser Kirche und dem angeschlossenem Museum für diesen Dichter war völlig euphorisch, uns die Geschichte von Ivan Manschura zu erzählen. Diesen Ort besuchen zwar viele Ukrainer, aber Ausländer, vor allem aus dem Westen, haben die hier noch nicht gesehen. Evgeniy versuchte zu übersetzten. Dies war nicht ganz einfach für ihn... Als wir wieder im Hotel ankamen, haben wir die Borschtsch von Jack verdrückt. Evgeniy musste dann langsam nach Hause, und wir hatten wieder einmal Freunde gefunden, die uns ihr Land zeigen wollten. 

Sonntag der 17.05.2009 Vasyl'kovka

[Katja] So war es dann auch. Sieben Uhr waren wir und Wasil fertig und Falk und ich saßen auf dem Rad. So früh, dass schlug bei mir schon ganz schön auf den Magen. So richtig treten wollte heute keiner. Wir hofften, dass es in der nächst größeren Stadt ein Hotel gibt. Nach 48 km erreichten wir diese Stadt. Zum Glück sollte es hier auch ein Hotel geben.
Wir fragten jemanden nach dem Weg, als eine ziemlich komische Person auf uns zu kam und irgendwas von Passport faselte... Na ja, es kam wohl eher ein „waswort“ heraus, denn viele Zähne hatte der Typ nicht mehr im Mund. Falk sagte dann auf Englisch das schlimme Wort mit F u (und) c k you. Worauf dann die Einheimischen meinten, dass wir ihn ignorieren sollen. Immer gerade aus und nach der Post rechts. Ok, nach weiteren 500 Metern erreichten wir das Hotel. 
Leider standen wir hier vor verschlossenen Türen. Nach fünf Minuten kam dann wieder dieser ekelhafte Typ zu uns und meinte, dass wir ihm zehn Griywna geben sollen, denn dann holt er den Administrator des Hotels. Falk meinte daraufhin zu ihm, dass er ihn holen soll und dann zehn Griywna bekommt, wenn die Tür offen ist. Er ging dann in drei anliegende Geschäfte und nervte die Leute. Als er wieder raus kam, fragte er alle Leute die an uns vorbei kamen, ob sie denn Deutsch können. War leider keiner dabei. Außer ein paar Jugendliche, die wieder „Hitler kaputt“ und „Auf Wiedersehen“ sagen konnten. Doch das Nervigste war, dass er sich das Bike anschaute, dabei die ganze Zeit an seinen ekelhaften gammligen Zahnresten lutschte und mit seinen Griffeln alles antatschte. Nach einer halben Stunde stand dann ein junger Knabe da und fragte auf Englisch ob er helfen kann. Ich fragte, ob denn hier eine Möglichkeit besteht, im Hotel zu schlafen. Er sagte, das schon jemand aus dem gegenüber liegenden Laden bei den Hotelverantwortlichen angerufen hat. Nach einer gefühlten Stunde mit diesem grusligen Typen (er wollte ja schließlich noch seine Kohle haben) tauchte eine nette Dame auf, die uns das Hotel aufschloss. Falk gab ihm die zehn Griywna (ein Euro) und er haute endlich ab. Der junge Mann übersetzte fleißig, so gut er es eben konnte, und wir quatschten noch ein wenig über Shaktar Donetsk gegen Werder.  

Samstag der 16.05.2009 Synel'nykovez

[Falk] Heute starten wir aus unserem Hotel weiter Richtung Osten. Wir durchfuhren Dnipropetrovsk, ohne uns einmal zu verfahren. Es war auch nicht ganz schwer, es gab nur zwei befahrbare Brücken über den Dnipro. Also immer den Fluss entlang, dann auf der zweiten Brücke rüber, rechts, immer geradeaus und fertig. Wir freuten uns dennoch, denn wir haben uns schon so manches Mal verfahren und waren auf Hilfe angewiesen.


Dann hofften wir eigentlich auf ein Motel oder Hotel in Synel'nykove. Am Anfang der Stadt signalisierten uns Kids, dass es auch eins gibt. Sieben km weiter stellten wir dann ernüchternd fest, dass wohl kein Motel/Hotel in dieser Stadt existiert. Wir sind mittlerweile wieder völlig in der Pampa gelandet. Dies bedeutet, dass nicht sichergestellt ist, dass es im nächsten Kaff 20-30 km entfernt, etwas Brauchbares zum Schlafen gibt. Dazu sind wir heute auch schon 90 km gefahren, was uns dann irgendwann zum Stopp zwingt (Zeit und kaputt). Wir holten also wieder unseren Zettel (Dank an Alla) raus, schauten noch trauriger und noch fertiger.... Dann fragte uns ein Mann, ob wir nicht bei ihm in Haus übernachten möchten. Wir hätten auch im Zelt oder unter einem Vordach gepennt, Hauptsache eben sicher. Nein, er bestand darauf, dass wir im Haus schlafen. Wir stimmten zu und fuhren zu ihm.
Alla hat mit dem Wasil (unserem Gastgeber) gesprochen. Er wollte uns etwas sagen, dass wir leider nicht verstanden haben. Zum einen sollen wir uns wie zu Hause fühlen. Des Weiteren seht Wasil in der Früh um sechs Uhr auf und muss um sieben los. Soll uns nur recht sein. Desto früher sind wir morgen am Ziel. 
Kaum haben wir uns etwas frisch gemacht, stand der Vodka auch schon auf dem Tisch... Das ist hier eben so. Wir wundern uns schon gar nicht mehr, unsere Lebern wohl auch nicht. Er holte noch seine Freundin mit dazu, wir schauten Bilder an, spielten Schach und verbrachten den Abend wieder einmal in einfachsten Verhältnissen mit sehr netten Gastgebern mitten in der Ukraine.

Einfach nur klasse!

Wenn wir beide eingeladen werden, schauen wir uns gegenseitig in die Augen und entscheiden wer trinken darf. Einer muss immer nüchtern bleiben, falls etwas ist. Heute war Katja dran..., die arme wird es morgen nicht leicht haben.  

Freitag der 15.05.2009 Dniprodzerschyns'k (Pausentag)

[Falk] Ein Sabbatjahr bedeutet irgendwie auch, ein Jahr frei zu sein. Für uns war heute so ein Tag wo uns richtig bewusst geworden ist, dass wir momentan frei sind. Wir verlängerten gestern einfach einen Tag und blieben heute bis 12 Uhr im Bett liegen.
Gestern haben wir im Hotelrestaurant vier (trinkfeste) ukrainische Banker kennen gelernt. Einer von ihnen konnte ein wenig Englisch. Es wurde also ziemlich spät. Gewissensbisse müssen wir auf Grund unseres Zeitpolsters nicht haben. Ausschlafen und einfach nichts tun. 
Einer von den vier Ukrainern hatte ein orthodoxes Gebetsband dabei. Als wir ihm klar machten, dass wir auf Hochzeitsreise sind, nahm er Katjas und meine Hand und legte das Band darüber, erzählte ein Gebet und schenkte es uns. Irgendwie ein tolles Gefühl.

Den Rest des Tages haben wir nicht viel gemacht, ich habe noch die Alarmanlage zusammengebaut und einbaufertig gemacht.

Ansonsten Essen, zunehmen, telefonieren und schlafen... Ein richtig schöner Lenz eben. 

Donnerstag, 21. Mai 2009

Presse


Kehlheim 24h Rennen 21. zum 22.08.2012 in der "Mittelbayrischen Zeitung"



Hochzeit in Dahlen am 1. November 2008;
in der "Oschatzer Allgemeinen" am 15. Januar 2009



Rennsteiglauf am 16. Mai 2009;
in der "Ostthüringer Zeitung" am 18. Mai 2009
Rennsteiglauf

Donnerstag, 14. Mai 2009

Donnerstag der 14.05.2009 Dniprodzerschyns'k (Pausentag)

[Falk] Gestern Abend sind wir gegen 19:00 Uhr zum Abendessen in das Zentrum der Stadt gegangen. Nach einer halben Stunde kamen wir in der Innenstadt an. Ein Restaurant war schnell gefunden und auch das Internetcafé war in der Nähe. Nach dem Essen sind wir dann in das Internetcafé gegangen. Dort haben wir etwas die Zeit aus den Augen verloren. Eigentlich wollten wir vor Einbruch der Dunkelheit wieder im Hotel sein. Doch es war schon dunkel, als wir das Internetcafé verließen. Wir haben uns beeilt, um so schnell wie möglich wieder in das „sichere“ Hotel zu kommen. Nachdem wir da gesund eingetroffen waren, stellten wir uns die Frage, was wahrscheinlicher ist: Überfallen zu werden, oder sich alle Knochen zu brechen. Wir sind einstimmig zu dem Entschluss gekommen, dass es viel wahrscheinlicher ist, sich alle Knochen zu brechen! Hier gibt es nur sehr wenig Straßenbeleuchtung und dazu kommt, dass überall die Gullideckel fehlen. Warum, wissen wir auch nicht. Ich denke aber, dass die zu Geld gemacht wurden. Dazu kommt, dass es hier zwar Fußwege gibt, die aber nicht wie in Deutschland gepflegt und Oma/Behindertengerecht sind. Viel mehr ist es so, dass es riesige Löcher, gepaart mit Wurzelwerk, das die Asphaltdecke angehoben hat, plus Bordsteine, die einen halben Meter hoch sind, gibt. Das alles gut schütteln, dann weiß man, wie wir gestern im Dunkeln ins Hotel gestiefelt sind. Überfälle sind daher auch kaum möglich. Ich denke, man kann uns im Dunkeln nicht von Einheimischen unterscheiden. Viel Geld haben wir eh nie dabei. Wenn so etwas passieren sollte, werden wir auch nicht die Helden spielen. 
Heute machen wir das, was wir immer machen, wenn wir Pause haben. Klamotten waschen, ausspannen, Internetzeitung lesen, Radio hören (DW-RADIO), Akkus laden und so weiter.

Das Bild ist ein Blick aus unserem Hotelfenster.

 

Morgen werden wir weiter Richtung russische Grenze fahren. 

Nachtrag 16:49 Uhr

Erfolg! Über unsere Sicherheitslage habe ich schon oft geschrieben. Permanent diese Angst, dass uns das Bike, während wir schlafen, geklaut wird. Wie auch immer möchte ich Nachts bitte durchschlafen können. Das Fahrrad immer am Bein festbinden, ist keine schöne Lösung. Zumal so ein abgeschnürtes Bein echt doof aussieht. Ich überlege seit Wochen, wie wir unser Tandem besser schützen können. Vor zwei, drei Wochen dann die Lösung. Wir spielten mit ein paar Einheimischen Tischtennis. Einer von denen hatte eine Alarmanlage an seinem Moped (wie geil). Das Ding ging los, sobald man das Moped anfasste. Jede Karre, und ich betone „jede“, hat hier eine Alarmanlage. Es hört zwar keiner mehr hin, wenn die Dinger los gehen, aber darum geht es uns auch nicht. Es geht darum, dass wir Nachts wach werden, wenn jemand an unseren Sachen fummelt. Wir suchten jetzt immer, wenn wir in einer Stadt waren, nach einer Mopedalarmanlage. Wer sich jetzt fragt, woher wir den Strom nehmen. Also: Der XO(Laptop)-Akkupack liegt bis jetzt nur unbenutzt im Hänger. Den können wir über unseren Lader während der Fahrt laden. Da der Laptop 12 V benötigt, müsste es eigentlich mit einer für Mopeds gebauten Alarmanlage funktionieren. Soweit der Plan. 
Doch leider haben wir hier ja immer noch ein echtes Sprachproblem. Wir überleben zwar, da die wichtigsten Dinge in unserem Ukrainisch-Kauderwelsch stehen, aber versucht mal einen Mopedladen zu finden, der Alarmanlagen führt. Worst case! In Elektroläden haben sie nur Autoalarmanlagen mit 1000 Funktionen und leider sehr teuer. Die Beschreibungen dieser Geräte sind dann auch nur in Russisch. Heute hatten wir schon drei Versuche hinter uns. Immer mit einem müden lächeln „njet“. Dann ein letzter Versuch. Wir waren schon auf dem Heim- bzw. Hotelweg. Es war nur ein kleiner Mopedladen. Ich mache mit meinem besten „Dobryj den!“ auf mich aufmerksam. Dann zeige ich mit Zeige- und Mittelfinger auf meine Augen (bedeutetet „Ich möchte Ihnen etwas zeigen.“, versteht fast jeder.), tippe auf das Moped und ahme den Ton einer Alarmanlage nach. Daraufhin schaute mich der Verkäufer ungläubig an. Danach versuche ich es in Englisch. Wie fast immer ohne Erfolg. Er holte seinen Kollegen, der auch kein Englisch spricht. Ich ziehe die Show noch einmal ab. Dann „Tak!“ (ja das haben wir). Er holt das Gerät aus dem Laden und zeigt es mir. Da hatte ich sie in der Hand, eine Alarmanlage für Mopeds mit 12 Volt. Zwei Funktionen, nämlich an und aus. Für 23 EUR gekauft, nicht verhandelt, glücklich!
Jetzt sage ich zu Katja: Mhh, wer weiß wie lange das Ding schon im Regal lag. Die Verpackung war etwas vergilbt und staubig. Ob die Batterien in der Fernbedienung noch funktionieren? Ob wir die Gebrauchsanleitung lesen können? 
Im Hotel angekommen, habe ich gleich das Ding ausgepackt. Freude breitete sich in mir aus, die Gebrauchsanleitung ist in Englisch und zwar nur in Englisch (das kann hier keiner einbauen :) ). Sofort das Akkupack angeschlossen und getestet. Es funktioniert. Morgen werden wir versuchen, einen schönen Platz am Moped, ähhh Tandem zu finden. Auf ruhige Nächte. Falk mit seinem besten „Do pobatschennja“...

Mittwoch, 13. Mai 2009

Mittwoch der 13.05.2009 Dniprodzerschyns'k

[Falk] Wir hatten eine sehr verregnete Nacht. Es hat wie aus Eimern geschüttet. Von 24 Uhr bis früh gegen sechs Uhr. Eine herrliche Soundkulisse, die sich uns da bot. Ich liebe solche Nächte, denn die sind aufregend, entspannend und wahnsinnig romantisch im Zelt.
Wenn wir zelten, dann versuchen wir so wenig wie möglich auszupacken. Nur das Nötigste wird ins Zelt gepackt. Es kostet einfach zu viel Zeit, abends alles in das Zelt und morgens wieder raus zu räumen. Wenn wir beide der Meinung sind, dass wir nicht oder wenig ausraubgefährdet sind, lassen wir einfach alles am Rad. Nach diesem Regen fragten wir uns, ob denn alles dicht gehalten hat. Ich würde mal sagen, es ist fast trocken geblieben. Ein paar nasse Stellen haben wir schon entdeckt, diese sind vertretbar oder kamen vom Öffnen der Tasche. Da sollte man vorher einfach mal drüber wischen. Mehr geärgert hat uns, dass Nässe in das Zelt gekommen ist. Der Boden hat wohl etwas abbekommen, er lässt Wasser durch. Wir haben immer eine Zeltunterlage benutzt. Es war nicht viel Wasser, für ein Zelt dieser Preisklasse aber unbefriedigend.




Heute schlafen wir in einem großen Hotel in Dniprodzerschyns'k im dritten Stock. Nach knapp 70 km, wieder mit vielen Hügeln, haben uns freundliche Menschen den Weg zu einem guten und relativ günstigen Hotel gezeigt. Wir machen morgen nach drei Tagen Fahrt routinemäßig einen Pausentag. Hier am Hotel steht unser Bike, hoffe ich zumindest, sicher. Mal sehen, wann wir wieder Internet haben. Ich denke aber, dass wir morgen die Wünschelrute auspacken und auf die Suche gehen werden.


Nachtrag 20:18 Uhr

Internet gefunden :) sogar heute schon...

Dienstag der 12.05.2009 Mosti

[Katja] Gestern Abend durften wir das Tandem für zehn Grywna bewacht unterstellen. Wir gaben dem Security 50 Grywna, in der Hoffnung, dass wir es heil wiedersehen. Heute Morgen holte es Falk mit einem dicken Lächeln des Securitys ab.

Wir sind heute wieder mitten in die „Berge“ gekommen. Da haben wir wohl die falsche Seite des Dnipro gewählt und eine Brücke über diesen riesigen Fluss war leider weit und breit nicht in Sicht. Das GPS schwankte den ganzen Tag zwischen Dnipro Höhe auf 60 Meter und dem höchsten Punkt von 180 Meter. Meine Beine fühlten sich nach fünf mal rauf und runter wie Pudding an. Hier gibt es aber auch nur Hügel ab 8% Steigung. Falk ging es da zwar etwas besser, aber so richtig glücklich ist er mit seinem Knie auch noch nicht. Zu allem kam dann ab km 25 sehr starker Seitvorderwind (von rechts) hinzu. Nach 50 km hatte ich keinen Bock mehr und war für Wildcamping. Falk, der Angsthase, meinte aber, dass wir lieber in einem Dorf nachfragen sollten. Auf jeden Fall dürfen wir jetzt, nach 60 km, hinter einer Bar (bei uns würde man Dorfkneipe sagen) campen. Mal sehen wo es uns morgen hin verschlägt.

Regen

Montag der 11.05.2009 Krementsuk

[Falk] Heute Morgen waren wir ziemlich froh, wieder aufs Rad steigen zu können. Die Tage am Dnipro waren schön, doch so richtig willkommen waren wir, glaube ich, nicht. Das Wetter war wieder super und fast windstill. Außerdem gab es fast keine Steigungen zu erklimmen, eben ein fast perfekter Tag. Wir wollten vor Krementsuk irgendwo absteigen, doch leider fand sich kein Hotel. Ohne Pause, denn es war einfach keine Möglichkeit dazu (Heidi-Klum-Alarm), fuhren wir wieder ungewollt aus der Stadt heraus.
Meinem Knie ging es heute einigermaßen gut. Wenn wir vor der russischen Grenze sind, müssen wir wahrscheinlich noch fünf Tage ausharren, bis unsere Russland-Visa beginnen. Ich denke, diese Zeit wird uns und vor allem meinem Knie sehr gut tun.

Samstag und Sonntag 09.-10.05.2009 Lypove

Sonnenuntergang
[Falk] Wir verlassen morgen unser Domizil der letzten beiden Tage. Es war sehr schön hier. Wir sind an einem „kleinen“ Seitenarm des Dnipro und haben wunderschöne Sonnenuntergänge beobachten können. Der kleine Seitenarm ist ungefähr doppelt so breit wie die Donau in Österreich. Die meiste Zeit haben wir hier einfach die Beine hoch gelegt und uns gegenseitig erzählt, welche Stellen unseres Körpers weh tun. Bei mir waren es wieder das Knie und die Achillessehnen. Das Knie hat sich die letzten beiden Fahrtage wieder bemerkbar gemacht und bei Katja logischerweise die Wade. Es ist aber alles halb so schlimm und bis zur russischen Grenze ist es auch nicht mehr so weit.
Die letzten beiden Tage haben die Menschen hier den Sieg über Hitlerdeutschland gefeiert, natürlich mit Vodka, Musik und Böllern. Da fühlt man sich schon ein wenig komisch. Aber alles in Butter. Ich denke, für die Leute hier war es nicht minder komisch, gerade in diesen Tagen Deutsche hier zu haben.

Unser Zuhause für drei Nächte



Und noch von innen



Unsere Essen-Tasche ist fast leer. Wir müssen also unbedingt weiter und mal wieder richtig groß einkaufen gehen. Ich hoffe doch mal, dass wir bald wieder Internet finden.

Freitag der 08.05.2009 Lypove

[Katja] Heute wurden wir mehr oder weniger aus unserem Zimmer geschmissen. Wir haben nicht mitbekommen, dass wir bis neun Uhr das Zimmer verlassen müssen. Ohne Frühstück und ohne Kaffee ab aufs Fahrrad. Nach der Verabschiedung von unseren Freunden, einem Einkauf und den ersten zehn Kilometern frühstückten wir erst einmal ausgiebig. So richtig ins Rollen sind wir heute den ganzen Tag nicht gekommen. Wir brauchen mal wieder etwas Pause. Nach knapp 60 km machen wir heute in einem in die Jahre gekommenen Ferienheim halt. Es ist zwar ein wenig muffig und einfach, aber sauber. Wir sitzen jetzt in unserer kleinen Hütte, haben schon gekocht und einen wunderschönen Sonnenuntergang gesehen.
Die Erlebnisse der letzten Tage werden wir noch ein wenig verdauen müssen. Meiner Wade geht es den Umständen entsprechend gut. Sie heilt gut ab. Komisch, aber beim Radeln habe ich die wenigsten Beschwerden.

Das ist übrigens eine Kochplatte, wir haben dann doch lieber unseren Kocher genommen...

Russischer Kocher

Donnerstag der 07.05.2009 Zolotonoscha

[Falk] Hygiene, bei manchen Ukrainern ein Fremdwort. Wir haben im größten Dreckloch der Ukraine übernachtet. Es kann nicht schlimmer kommen! Eigentlich war gestern alles ok. Wir sind 77 km gefahren und ein Hotel in Sicht, das Wetter war gut, es passte alles. Am Hotel wollten wir kurz die Lage checken und das Bike sicher abstellen. Dann meinte ein Angestellter, dass wir das Bike nicht an der Wand abstellen dürfen. Den Hund habe ich zwar bemerkt, aber in dem Moment habe ich mich auf das Bike und den Typen konzentriert. Katja hat ihn auch nicht mitbekommen. Ein Schrei, „Was ist los?“, „Der Hund hat mich gebissen!“. Scheiße. Erste Hilfe vor Ort, Wunde mit Vodka, Alkoholpads und Jod gereinigt und Katja das Selbstdiagnosebuch, den "Rüdiger Nehberg" und unseren Verbandskoffer in die Hand gedrückt und aus der Gefahrenzone geschickt. Dann habe ich ein ernsteres Wort mit dem Köter gewechselt. Ich denke, in Deutschand wäre dies seine letzte Stunde gewesen. Wie ich den Typen interpretiert habe, sei es hier wohl Normalität. Arschloch... Er fragte mich dann, ob ich das Bike sicher abstellen wolle. Diese Frage beantwortete ich trotzig mit ja. Er sagte dann Sto, Sto, Sto... Ich habe mitbekommen, dass er für die sichere Unterstellmöglichkeit des Bikes 100 Grywna haben möchte. Frechheit! Nur leider können wir uns immer noch schlecht artikulieren und ihm auf Deutsch die Meinung zu sagen bringt mich auch nicht weiter. Also einmal kräftig schlucken... Doch dann das. Nachdem ich das Bike sicher abgestellt habe und alle unsere Siebensachen in den ersten Stock gebracht habe, ging ich in das Zimmer zu Katja. Dieses Zimmer war bis unter die Decke verschimmelt. Auf dem Boden erkannte man vor festgetretenem Schimmel die Struktur des Teppichs kaum noch und auf der Matratze zeichnete sich ein riesengroßer Exkrementenfleck ab. Ich bin nicht empfindlich, aber dass ging gar nicht. Auf Grund des Bisses, unserer Unflexibilität nach 77 km Fahrt und da wir schon bezahlt hatten, entschieden wir uns dennoch zu bleiben. Ich möchte den schlechtesten Tag unser bisherigen Reise so schnell wie möglich vergessen und hoffe, dass die Wunde bei Katja bald verheilt ist.

Zu Hause bei Freunden

Heute ist uns dann wieder das ganze Gegenteil passiert. Eben das Hoch und Tief in der Ukraine. Nach 101 km (trotz des Bisses, Katja ist eben zäh) kommen wir an einem Hotel an. Dieses ist sauber und zweckmäßig. Nachdem ich einem Ehepaar unser Bike und unsere Reise erklärt habe, laden sie uns zum Essen ein. Das Bike durften wir auch gleich in ihrer Zoohandlung unterstellen. Wir fuhren zu einem Neubauhaus und gingen in den fünften Stock. Es öffnete die 15 jährige Tochter. Sie schaute ein wenig verdutzt, aber nach ein paar Worten von ihrer Mutter, ließ sie uns dann doch rein. Bei der Familie durften wir dann ins Internet und konnten dank dem Übersetzer von Google mit ihr kommunizieren. Kurz vor dem Essen kam dann noch ein Freund der Familie, der Deutschlehrer ist, vorbei. Es war wieder einmal ein sehr angenehmer Abend, mit Freunden, gutem Essen und absoluter Gastfreundschaft. Nach einer Shisha und Nachtisch fuhr uns der Gastgeber ins Hotel zurück. Jetzt sind wir wieder um ein schönes Erlebnis und zwei E-Mail Adressen reicher. Liebe Grüße und Danke für den netten Abend nach Zolotonoscha...

Zu Hause bei Freunden 2

Donnerstag, 7. Mai 2009

Mittwoch der 06.05.2009 Rogoziv

[Katja] Bitte alle einmal durchatmen. Ok?
Ich mache es kurz - ich bin von einem Hund gebissen worden. So eine Scheiße. Ich glaube aber, Falk geht es schlechter als mir. Wir haben alles gleich desinfiziert und Falk hat versucht, allen Dreck aus der Wunde zu bekommen. Dafür, dass er recht empfindlich ist was Blut betrifft, hat er gut durchgehalten. Ansonsten ist alles ok, wir hoffen jetzt mal, dass es sich nicht entzündet. Falls doch etwas sein sollte und ich Antibiotika nehmen muss, haben wir zum Glück ein paar Tage Vorsprung. Das würde dann eventuell eine Zwangspause von fünf Tagen bedeuten. Wir sind heute 77 km gefahren und schlafen 50 km hinter Kiew in einer Pension, an der wir dieses Mistvieh auch angetroffen haben. Der Tag ist gelaufen...

Montag, Dienstag, 04. - 05.05.2009 Pausentage in Kiew

[Falk] Ich schreibe heute mal eine Zusammenfassung der letzten beiden Tage.
Unser Fahrrad, ist Segen und Fluch zugleich. Alle an denen wir vorbei fahren, haben so etwas noch nicht gesehen. Wir stellen immer wieder fest, dass die Welt um uns herum für einen Moment still steht. Alle, egal wer, schaut uns an und sobald wir anhalten, werden Fragen gestellt. Jan meinte einmal, dass wenn man sich wie Heidi Klum fühlen möchte, muss man als Langnase (Europäer) auf dem Chinesischen Festland in der Pampa in einem Supermarkt einkaufen gehen. Ich bin der Meinung, kauft euch ein Liegeradtandem, dann könnt ihr das Gefühl überall haben. In Österreich und Deutschland konnten wir diese Fragen schnell beantworten. Hier müssen wir die Leute oft enttäuschen, „no russian, please speak english or german“ und darauf hin meistens fragende Gesichter. Oft folgen weitere Fragen auf Russisch/Ukrainisch. Wir verstehen zwar einige Brocken, doch können wir diese noch nicht sinnvoll zusammensetzten. Meist haben wir oder der Fragenden keine Zeit/Lust, sich intensiv mit uns zu beschäftigen. Falls ganz Hartnäckige kommen, zeigen wir unseren Super-Zettel (meist Abends, wenn wir einen Schlafplatz suchen, dass zieht echt gut). „Kitei?“ (Russisch für China) „da, Kitei“. Unser Bike ist also ein Kommuniktionsmittel, zum anfixen echt gut geeignet. Das sind die guten Seiten.
Unser Fahrrad macht uns immerzu Sorge. Ist es hier Sicher? Können wir zu zweit einkaufen gehen? Hören wir, wenn jemand am Fahrrad ist? Können wir es hier stehen lassen und ohne Bike in die Stadt gehen? Sehr oft stellen wir uns genau diese Fragen. Gesten waren wir mit dem Tandem in Kiew, dass ging gar nicht. Jeder schaut uns an. Wir können nicht stehen bleiben, ohne eine Traube fragender Ukraine um uns zu haben. Wenn ihr jetzt denk, ich übertreibe? Nein, es ist doppelt so schlimm! Niehemiski (Deutsche) höre ich mich oft sagen. Dann kommt das oben geschilderte Prozedere. Heute, ohne Bike, war es sehr entspannt. Doch wieder dieses flaue Gefühl der Ungewissheit. Hier auf dem Campingplatz gibt es zwei Sicherheitszonen, Eine Allgemeine für den ganzen Komplex und eine alleine fürs Campen. Vielleicht bin ich doch etwas paranoid.
In Kiew kann man auch nicht mit dem Fahrrad fahren. Überall riesen Bordsteine, keine Fußgängerüberwege, sondern nur Unterführungen (Treppen, bei denen sie nur teilweise an Kinderwägen oder Fahrräder gedacht haben), keine Radwege und nur riesen Autos, wir hatten echt Angst. Unser Fahrrad wurde natürlich nicht geklaut.
Kiew ist das krasse Gegenteil der letzten Tage. Reich und Arm, eine Mittelschicht ist kaum erkennbar. Nur BMW, Mercedes, Lexus, Bentley usw. und wir sind ja in München einiges gewohnt. Kiew steht dem nichts nach. Prunk wo das Auge hinschaut. Teure Läden „schöne Menschen“. Erst wenn man etwas aus dem Zentrum raus ist, erkennt man die normalen Leute wieder, Wohnsilos, abgewrackte Menschen, Gestank und alte Autos. Wie ein Schalter, klick und Arm. Krass, so habe ich das noch nie erlebt. Trotzdem bleibt uns Kiew als schöne Stadt in Erinnerung. Mal schauen, wo es uns morgen hin verschlägt.

Dienstag, 5. Mai 2009

Sonntag, 03.05.2009 Kiew

[Falk] Wir haben es geschafft, wir sind in Kiew. Nach nur 45 km erreichten wir die Stadtgrenze. Zu unserer Überraschung haben wir auch gleich einen Campingplatz gefunden. Dieser war natürlich auf unserer Karte nicht eingezeichnet. Die Hauptstadt der Ukraine ist nur etwa 100 km von Tschenobyl entfernt.
So nah werden wir der einzig richtigen, nicht gewollten Nuklearkatastrophe der Welt, nicht mehr so schnell kommen. Ich kann förmlich die Strahlung riechen. Das lustige an der Geschichte ist, dass es auf der Autobahn Stände mit Lebensmitteln, Besen und Kuscheltieren gibt. Einfach rechts ran fahren und einkaufen. Bei vielen von diesen Ständen, gab es eingeweckte Pilze aus der Region. Ein wenig Phosphor rein und das Zeug leuchtet die nächsten eine Millionen Jahre. Lavalampen sind out! Hoch lebe die ukrainische Variante. So entgegnet man dem Klimawandel. Das sind Lösungen und keine Probleme. Prost.
Nun werden wir die nächsten Tage in Kiew verbringen und unseren Muskeln ein wenig Erholung gönnen. Natürlich werden wir uns die Stadt etwas genauer anschauen.


Nachtrag
Es ist 21:30 Uhr und eine Invasion von Italienern ist auf dem Campingplatz eingetroffen. Zehn Wohnmobile, eins größer als das andere, stehen nun hier. Es ist wie in Wien vor 20 Tagen. Ich glaube, die verfolgen uns! Irgend eine geheime UniCredit Aktion oder so. Mal schauen wie das ausgeht. Auf jeden Fall haben wir verstanden, wir sind noch nicht weit genug gefahren. Mal sehen wann es keine Italiener mehr gibt.

Samstag, der 02.05.2009 60 km vor Kiew in Sytnjaky


Wir haben gestern festgestellt, dass wir im polnischen Konsulat schlafen. Nachdem wir dies wussten, fühlten wir uns gleich noch ein mal sicherer.
Gestern Abend haben wir unsere Radtaschen ein wenig anders gepackt. Wir haben uns ein System überlegt, wie wir schneller an die Dinge des täglichen Lebens heran kommen. Dank Rüdiger Nehberg, ein täglicher Begleiter, haben wir eine gute Lösung gefunden. Außerdem ist es wichtig, mehr Platz für Essen zu schaffen. Wir werden jetzt langsam in Regionen fahren, in denen wir weniger Möglichkeiten zum Einkaufen haben. Dies bedeutet für uns, dass wir mehr Nahrung mitnehmen müssen. Die Hängertasche ist jetzt so voll wie noch nie. Dafür haben wir jetzt 40 Liter Platz für Lebensmittel. Wir denken, dass wir damit im Extremfall 2-3 Wochen ohne Einkaufsmöglichkeit auskommen.
Der Tag heute war nicht besonders aufregend, wir fuhren 85 km auf der Autobahn. Ihr habt richtig gelesen, auf der Autobahn, zumindest eine autobahnähnliche Straße (es gibt hier nämlich keine Leitplanken). Wir haben noch niemanden getroffen, der etwas dagegen hatte. Die Autobahn hat den Vorteil, dass wir den Standstreifen für uns alleine haben, dieser wiederum hat einen besseren Zustand als der Rest der Straße. Somit kamen wir schnell und relativ sicher an unser Etappenziel. Morgen geht es nach Kiew, mal schauen was uns da erwartet.
Tja, jetzt sind wir schon fast in Kiew, wir haben in den letzten Tagen ganz schön Strecke gemacht. Etwa 2/5 der Ukraine haben wir bereits durchfahren und das in 9 Tagen. Wenn wir so rechnen, sind wir bei diesem Tempo am 20. an der russischen Grenze. Wir haben uns also ein schönes Zeitpolster herausgefahren. Hätten wir das vorher gewusst, hätten wir uns in Polen mehr Zeit lassen können. Aber lieber sind wir etwas weiter, als dass wir dann in Panik verfallen und irgendwelche Visadaten nicht einhalten können. Wenn wir eine günstige und sichere Herberge in Kiew finden, werden wir sicherlich 2-3 Tage da bleiben und uns die Hauptstadt ein wenig näher anschauen.

Freitag, 1. Mai 2009

Freitag, der 01.05.2009 Zitomir (Pausentag)

Alles Gute zum Geburtstag, auch hier gibt es Bananen aus Ecuador!

Wir sitzen gerade in einem Internet- Kaffee und machen heute einen Pausentag. Es hat etwas zugezogen und maechtig abgekuehlt.
Die Wetterlage ist trotzdem mehr als gut. Vorgestern hatten wir die erste Generalprobe fuer unsere gut verpackte Regenkleidung, ein Gewitter zog auf. Wir holten unsere Regenkleidung raus, zogen sie an und nach dem Anziehen war wieder alles vorbei.

Wir lassen es heute ruhig angehen. Heute ist ja schliesslich auch hier Tag der Arbeit und somit frei.

Donnerstag der 30.04.2009 Zitomir

Interview[Katja] Heute morgen standen wir gegen acht Uhr auf, da wir bis neun Uhr fertig sein wollten. Zu dieser Zeit startete der Betrieb des Restaurants und der Bar. Um neun waren wir auch fertig, die Damen schlossen das Tor und die Bar auf. Nach einem großartigen Frühstück wollten wir eigentlich schnell los, damit es heute Abend nicht so spät wird. Auf einmal kam ein großer Geländewagen mit drei Männern an Bord zu uns. Sie sagten, dass wir noch nicht fahren dürfen. Einer von Ihnen winkte mit einer Zeitung und fragte uns, ob er ein Interview haben kann. Wir erklärten ihm, was wir vorhaben. Nach einer Probefahrt und ein paar Fotos, durften wir dann endlich los. Jetzt werden wir doch noch berühmt :), zumindest in der Ukraine. In 7 Tagen wird der Artikel in dieser Regionalzeitung erscheinen und wir bekommen ihn hoffentlich per E-Mail zugesandt. Heute erreichten wir Zitomir. Diese Stadt liegt etwa 140 km westlich vor Kiew. Nach 5 Tagen Fahrt legen wir morgen wieder eine Pause ein. Wir haben ein nettes, kleines Zimmer gefunden. Das kalte Wasser ist dunkelbraun. Schaut mal das Foto an. Braunes Wasser

Wenn alles klappt, erreichen wir Kiew am 3.Mai. Allen, die in den letzten Tagen, heute oder morgen Geburtstag haben, möchten wir auf diesem Wege alles Gute, viel Glück und Gesundheit wünschen. Fühlt euch gedrückt.


Nachtrag 21 Uhr
Nach einer Stunde wurde das Wasser besser. Jetzt getrauten wir uns auch zu duschen.

Mittwoch der 29.04.2009 Cudniv

Kuehe auf der Strecke[Falk] Ich wollte mich für diesen netten Abend revanchieren, irgendwas geben, damit ich mein/unser Gewissen beruhigen kann. Keine Chance! Es wird uns nicht vergönnt, unseren Westarsch frei zu kaufen. Wir müssen lernen, Geschenke anzunehmen. Das ist nicht einfach! Sorry, dass schon wieder so ein Text kommt. Aber unsere Gefühlslage ist noch immer angespannt. Diese Leute haben wenig und geben viel. Wir können es noch nicht richtig verarbeiten. Wir starteten heute 9:15 Uhr, fast Rekord. Wir beeilten uns, damit Halyna rechtzeitig zur Arbeit gehen kann. Für uns natürlich sehr gut. Wir wollten eigentlich nach 60, 70 km aufhören und einen Pausentag in einem Motel einlegen. Das wollten wir eigentlich auch gestern schon... Nach 50 km kam eins, leider etwas zu früh. Wir entschieden uns, weiter zu fahren. Jetzt nach knapp 90 km, gegen den Wind, haben wir in einer Bar angefragt, ob wir hier schlafen können. 40 km ohne Dorf und ohne Hotel, können verdammt lang sein. Wir haben nicht richtig verstanden, was Sie zu uns gesagt haben. Nach einem Anruf bei unseren Ternopiler Freunden, haben wir heraus bekommen, dass wir hinter dem Haus schlafen dürfen. Gute Nacht und ein Danke nach Ternopil.

Dienstag der 28.04.2009 Lenkivci

[Falk] „Wir leben nicht, wir existieren.“ Halyna ist heute unser Gastgeber. Wir lernten sie an einer Kreuzung mitten in der Ukraine kennen. Dieser Satz stammt nicht von ihr, sondern von ihrem Onkel, als sie uns ihre Umgebung zeigte. Aber es beschreibt die Lebenssituation dieser Familien auf dem Lande ganz gut. Wir gehen heute mit gemischten Gefühlen ins Bett. Zum einem haben wir wieder einmal die absolute Gastfreundschaft kennen gelernt, zum anderen müssen wir unser Verständnis für Armut neu überdenken. Was ist Armut? Nicht das ich denken würde, dass Halyna und ihre Familie arm sind, dieses Vorurteil hatte ich vielleicht in den ersten 30 Minuten. Außerdem wäre sie auch viel zu stolz, dies auszusprechen. Was ist bitte dann Armut? Ich kann diese Frage heute schlussendlich für mich nicht beantworten. Vielleicht muss ich noch etwas zur gesellschaftlichen Stellung von Halyna schreiben. Sie ist stellvertretende Schulleiterin, wenn ich es richtig verstanden habe. Sie engagiert sich auch noch als Ortsvorsteher. Sie besitzt ein Haus, hat drei Kinder und ein Auto. Das klingt jetzt eigentlich nicht schlecht, aber in ihrem Job verdient sie gerade einmal ungefähr 300 EUR. In der Ukraine ist zwar alles sehr günstig, aber das reicht auch hier nicht zum Überleben. Um über die Runden zu kommen, muss sie ein Feld bestellen. Hier wachsen Kartoffeln, verschiedene Obstbäume, Gemüse und Kräuter. Insgesamt besitzt sie 70 a. Ihr Mann ist bei einem Autounfall verstorben. Sie ist somit seit sechs Jahren allein erziehende Selbstversorgerin. Schicksal? Wenn ich die anderen Häuser hier sehe, würde ich sagen eher Normalität. Bevor Sie eine Pumpe zum Brunnen hatten, benutzten sie eine Regentonne auf einem Gestell mit einem Duschkopf. Ihre Familie hat auch Strom. In diesem Dorf haben viele Familien kein Strom. Trotz allem ist bei ihr alles nicht mit unserem Massstäben zu messen. Ich kann gar nicht sagen, wie improvisiert und einfach die Dinge funktionieren können. Ich bin sehr froh, heute hier Gast sein zu können. In dieser Welt einen Einblick zu bekommen, die ich nicht leben möchte. In der auch viele der Bewohner nicht leben würden, wenn Sie es nicht müssten. Ich kann mich morgen in den Flieger setzen und in die Harz-4-Vollkasko-Heimat zurück fliegen. Wenn hier die Ernte ausfällt, weil z.B. der Regen fehlt, hat eine ganze Familie/Region ein riesengroßes Problem. Halyna ist stolz und dies auch zurecht!

Montag der 27.04.2009

WindHeute Morgen hatten wir noch ein fürstliches Frühstück in der gleichen Qualität des gestrigen Abendessens. Alla hat uns einen Brief auf russisch geschrieben, in dem ein kurzer Text über uns und ein paar der nützlichsten Sätze stehen, die wir täglich benötigen (hat uns heute auch schon geholfen). Danach starteten wir mit einer wilden Fotosession. Es war wirklich so nett. Wir nahmen den Ratschlag von Romano an und fuhren Richtung Nordosten. Wir haben seit heute Kiew auf den Plan. Für uns war es heute die richtige Entscheidung, der Wind blies mit unwahrscheinlicher Stärke aus Süd. 2/3 der Strecke hatten wir Seitrückenwind und 1/3 Seitvorderwind. Wenn wir gegen den Wind gefahren sind, dachten wir, dass wir stehen bleiben. Nach knapp 90 km kamen wir in einem kleinen Ort an. Wir wollten eigentlich jemanden fragen, ob wir im Garten zelten können. Dieser schickte uns aber weiter. Es hätte ein neues Hotel eröffnet. Dieses Hotel befindet sich noch im Rohbau und heute ist das erste Zimmer fertig geworden. Als wir es beziehen wollten, wurde noch der Klopapierhalter montiert. Wir sind also die ersten und einzigen Gäste in diesem Hotel. Wir grüßen Jürgen Kliensmann und hoffen, dass er bald einen neuen Job findet.

Sonntag 26.04.2009 4 km hinter Ternopil

Kriegerdenkmal[Falk] Wir besitzen seit heute eine ukrainische Handy-Nummer. In Ternopil haben wir uns eine Prepaidkarte gekauft. Hier kostet uns die Minute nach Deutschland nur 12 ct. Das ist unglaublich günstig. Nach einer halben Stunde Sucherei nach dem richtigen Weg in Ternopil, hielt eine nette Dame an, die uns auf Deutsch den Weg erklären konnte. Dann meinte Sie, dass wir hinter ihr her fahren sollen. Das Angebot nahmen wir dankend an. Nach einer viertel Stunde nur bergauf, waren wir aus der Stadt draußen. Dann fragte Sie uns, ob sie noch etwas für uns tun kann. Ich fragte Sie, ob Sie eine Möglichkeit zum Campen hat. Nach heutigen 70 km mit vielen Bergen, hatten wir den Kanal ziemlich voll. Sie stimmte zu und wir fuhren zu ihr nach Hause. Somit sind wir heute Nacht bei einer super netten Familie (Mama Alla, Papa Romano, Kind Romano jr., Oma Natalie und eine Katze) gelandet.
Wir haben so fürstlich gespeist, dass wir ein schlechtes Gewissen haben. Das Abendessen kann man nicht beschreiben. Es gab so viele Köstlichkeiten, Salat, gebratene Wurst, gebackene Kartoffeln mit Knoblauch und Kräutern, lecker Hoch 10! Natalie kann sehr gut englisch, sie lebte fünf Jahre in England und zwei Jahre in Griechenland. Da hat sie als Hausdame und Köchin gearbeitet. Alla kann sehr gut deutsch. Es war schön, mal wieder mit jemand anderem deutsch zu sprechen. Romano war anfangs etwas skeptisch. Aber als der das Bike und unser Vorhaben verstand, hatten wir ihn auf unserer Seite. Seit langem haben wir wieder ein richtiges Sicherheitsgefühl. Unser Bike stand in einer abgeschlossenen Garage und wir in einem abgeschlossenen Haus. Einfach nur Klasse. Wir haben uns über unsere geplante Strecke unterhalten. Sie waren alle der Meinung, dass unsere Route zu gefährlich ist. Zuerst gingen wir die Städte durch. Als ich dann 50 Prozent wegen zu hoher Gefahr streichen musste, meinten Sie, dass wir doch weiter nördlich fahren sollen. Die Regionen dort sind besiedelter und die Menschen nicht so gefährlich. Nach einer weiteren Stunde der Planung und einem Anruf bei einem befreundeten Polizisten, ob wir denn ukrainische Autobahnen fahren dürfen, gingen wir ins Bett. Alla, falls du das hier liest, vielen Dank für dein Vertrauen und viel Spaß beim Spiegel lesen.
© 2007-2009 www.cross-eurasia.de Disclaimer