Freitag, 26. Juni 2009

Donnerstag, der 25.06.2009, Qandyaghash

[Falk] Heute erreichten wir Qandyaghash, unser nördlichster Punkt in Kasachstan. Das merkt man auch. Die Vegetation ist hier anders als im Süden. Es ist nicht so trocken und es gibt wieder Gras und Bäume am Straßenrand zu sehen. Wir sind auch wieder in einer ziemlich hügeligen Gegend gelandet. Der Tag war geprägt von vielen Steigungen, mit langen Auf- und Abfahrten.
Heute morgen hatten Katja und ich eine kleine Auseinandersetzung über den nächsten Monat, die harte Zeit hier und die vielen Kilometer. Wir müssen halt mehr fahren, als wir das z.B. in der Ukraine getan haben. Fahren halt den ganzen Tag - abends sind wir natürlich jedes mal ziemlich im Sack. Ich denke aber, dass jetzt alles wieder passt und wir einfach unser Ding durchziehen.
Von Cross-Eurasia
In dieser Stadt werden wir erst einmal einen Tag Pause machen. Den haben wir uns wirklich verdient. Leider gibt es hier kein Internet. Ich werde Alex unser Tagebuch geben. Wir denken, dass er morgen Internet in Atoebe hat. Wir trennen uns morgen früh wieder von ihm. Wir werden ihn vermissen. So einen Human Translator bekommt man nicht alle Tage geschenkt. Havy thank you, es waren sehr schöne Tage mit Dir.

Mittwoch, der 24.06.2009, fünf Kilometer vor Shubarqudyq

[Falk] Gesten Abend haben wir im Sand mit Tierkot gezeltet. Wir waren so fertig und konnten uns keinen anderen Platz mehr suchen. Wir haben fünf Minuten unser Bike durch diesen Sand geschoben und hinter einer Düne gezeltet. Dann haben wir leider festgestell, dass man uns von der Straße aus sehen kann. Aber alles kein Problem. Wir haben die Nacht gut überstanden.
Nach 15 km auf diesen bescheidenen Feldwegen kam ein Dorf. Wir kauften unseren täglichen Bedarf an Lebensmitteln ein - und dann wurde der Weg endlich besser.
Was blieb, war viel Wind und die Hügel.

Dienstag, der 23.06.2009, 15 Kilometer vor Bayghanin

[Falk] Wir sind heute gegen 7:40 Uhr los gekommen. Mittlerweile schaffen wir es ganz gut, so früh aufzustehen. Vielleicht hilft es auch ein wenig, dass wir mit Alex fahren. Da ist es leichter, den Schweinehund zu überwinden. Man will sich ja nicht die Blöße geben. Wir schliefen die Nacht in einem ausgetrockneten Flussbett. Die gute Straße haben wir heute noch nicht erreicht, aber 76 km geschafft und damit unser Tagesziel nicht erreicht. Jetzt müssen wir mal schauen, dass wir die nächsten Tage die fehlenden Kilometer wieder herausfahren. Aber bei diesen Straßen wird das nicht einfach.
Momentan sind wir ziemlich fertig. Heute war es gegen 15 Uhr zur Mittagspause 47 °C im Schatten, nur leider gibt es hier keinen Schatten. Keine Bäume, keine Sträucher.
Ein Ereignis gibt es noch. Wir haben heute unseren ersten Platten gehabt, das Hängerrad hat es erwischt. Hoffentlich bleibt es der einzige. Aber nach 15 Minuten war alles wieder geflickt. Dann erreichten wir ein kleines Dorf, in dem etwa 30 Kinder unser Fahrrad in Beschlag nahmen.

30 Kinder

Aufgrund der schlechten Straßen kommen da nur wenig Leute vorbei und durchgeknallte Deutsche auf dem Liegetandem erst recht nicht. Siehe Foto, ich denke, das spricht tausend Bände.

Montag, der 22.06.2009, kurz vor Saghyz

[Falk] Heute konnten wir die Straße nur die ersten 30 km benutzen. Diese Straße kann man nicht befahren, selbst die Kasachen fahren nicht darauf. Dafür gibt es an der Seite einen teilweise mehrspurigen Feld- oder auch Sandweg. Da fuhren ein paar Autos mit 50-60 Sachen an uns vorbei. Nach 30 km Quälerei entschieden wir uns, auch da zu fahren. Ab da ging es uns besser. Keine heftigen Erschütterungen mehr und sogar ein Durchschnitt von über acht km/h war möglich. Wir fuhren wieder den ganzen Tag, von morgens acht, bis abends um 21 Uhr. Und wir haben leider wieder nicht mehr als 83 km geschafft. Den ganzen Tag haben wir kleine bis mittelgroße Wirbelstürme gesehen. Die entstanden einfach vor uns und zogen vorbei. Einen habe ich bei einer kurzen Pause mit der Kamera erwischt.

Windhose
Ein paar Kilometer weiter hat uns so ein Teil dann auch gestreift. Ich musste anhalten, wir haben einfach nichts mehr sehen können. Hoffentlich werden wir morgen diese 200 km geschafft haben und noch ein paar Kilometer auf einer vernünftigen Straße schrubben. Vielleicht haben wir in drei Tagen auch mal ein wenig Rückenwind. Wir fahren dann wieder Richtung Süden. Der Wind kommt meistens aus Nord.

Sonntag, der 21.06.2009, irgendwo hinter Magat

[Falk] Ach du Scheiße. Der Tag fing ganz gut an, der Wind blies nicht so stark wie gestern und die ersten 30 km vergingen wie im Flug - und dann kam Magat. Wir organisierten alles, was wir für die nächsten zwei Tage benötigen. Hier scheint es nicht mehr viel zu geben und die nächste Stadt ist zu weit, um sie morgen zu erreichen. Wir füllten also all unsere Wasserbehältnisse bis oben hin. Ich denke, dass wir mit etwa 30 Litern los gefahren sind. Nach Magat sahen dann die Straßen so aus:

Alternative Strasse

Das kann man nicht mehr als Straße bezeichnen! Nach den ersten zwei beinahe Stürzen sind wir dann auch einmal umgefallen. Aber wir und das Bike sind heil geblieben. Auf Sand zu fahren ist eben nicht so einfach... Dann passten wir besser auf und stürzten nicht mehr. Doch diese Straßen kosten Unmengen an Zeit und Kraft.

Strasse

Wir sind gegen 7:45 Uhr gestartet, haben es jetzt 21 Uhr und sind gerade erst angekommen. Wir haben seit zwei Minuten unser Zelt aufgebaut und sind „nur“ 85 km gefahren. Mit Alex zu fahren macht echt Spaß, denn es ist eine Abwechslung. Mal schauen, wie es morgen wird. Die nächsten 200 km soll es nach Auskunft der Einheimischen so weiter gehen. Wir werden berichten. Heute erreichten wir das erste mal nach Volgograd wieder ein Gebiet, dass über normal Null liegt. Wir wussten nicht, dass so viel Fläche von Kasachstan unter Null liegt.

Samstag, der 20.06.2009, Dossor


Unser Freund Alex[Falk] Trans Eurasia meets Cross Eurasia, Alex kommt aus Moskau und hat auf Grund der Wirtschaftskrise unbezahlten Urlaub machen müssen. Dies nutzte er und schmiedete den Plan von Spanien nach Vladivostok zu fahren. Trans Eurasia also, alex_ryumin.livejournal.com. Tja, der Knabe hat schon 6100 km hinter sich. Er ist mit dem Flugzeug am 07. April nach Madrid geflogen und fährt seitdem Richtung China. Heute sind wir den ganzen Tag mit ihm gefahren und schlafen zusammen auf einem Hügel hinter Dossor. Der Wind war auch wieder da und er blies sehr böig, natürlich von vorne. Wir hatten teilweise arge Probleme, auf der Straße zu bleiben. Ich musste einige Male auf dem Standstreifen fahren, weil wir ansonsten umgekippt wären. Alex ist im Schnitt etwa zwei bis drei km/h langsamer als wir. Dafür macht er kürzere Pausen und wir eben etwas längere.
Wir haben uns also alle zehn Kilometer wieder gesehen. Heute hat es gut funktioniert und nach 110 km hörten wir auf. Den Tag über unterhielten wir uns über alle möglichen Dinge, die wir in der letzten Zeit erlebt haben.

Pausenunterhaltung
Es ist toll, sich mit jemanden zu unterhalten, der die gleichen Sorgen, Probleme und Nöte hat; der ähnliche Erfahrungen gemacht hat wie wir. Das schöne ist, dass er natürlich Russisch kann und sehr gut Englisch spricht. Wir können, wenn alles gut geht, die nächsten vier Tage mit ihm fahren. Dann trennen sich unsere Wege wieder. Er möchte nach Astana und wir nach Almaty.

Abends vor dem Schlafengehen

Freitag, 19. Juni 2009

Freitag, der 19.06.2009, Atyrau (Pausentag)

[Katja] Diesen Pausentag brauchen wir dringend. Die letzten Tage haben ziemlich geschlaucht. Wir konnten heute einfach nicht weiter. Auch die Registrierung hat gestern nicht funktioniert und Falk benötigt dringend eine neue Sonnenbrille, denn seine ist leider kaputt gegangen. Selbst für kleine Anschaffungen, wie zum Beispiel Sonnencreme mit gescheitem LSF, muss man schon lange suchen.
Alles in allem waren wir gestern nicht sehr erfolgreich. In Kasachstan haben wir uns einen sehr engen Zeitplan gelegt, da wir Puffer für das Chinavisa benötigen. In Almaty möchten wir mindestens zwei Wochen bleiben, um eventuell noch reagieren zu können. Deshalb müssen wir jeden Tag 83 km fahren und können dann aller sechs Tage einen Pausentag machen. Wenn der Wind so bleibt, wird das echt hart.
Zum Glück hat jetzt die Registrierung geklappt. Nach zwei Stunden in diesem Amt und mit Hilfe von Nurik hatten wir endlich die Stempel in unseren Pässen. Vielen Dank an dich, ohne deine Hilfe hätten wir die Formulare nicht ausfüllen können! Sonst haben wir auch alles bekommen, was wir momentan benötigen. Nur eine SIM für Kasachstan konnten wir nicht organisieren. Mit den PrePaid-Karten von hier kann man nicht international telefonieren. Deshalb für uns nicht geeignet.
Jetzt habe ich noch ein paar Sachen gewaschen und nun bereiten wir uns auf morgen Vormittag vor. Wir wollen es endlich schaffen,sechs Uhr los zu fahren.
Wir haben heute rausgefunden, das es in Kasachstan keine Sommerzeit gibt. Also doch nur plus drei Stunden Zeitverschiebung zu Deutschland. Der zeitige Start morgen früh könnte schon klappen...

Nachtrag:
[Falk] Ich habe gerade komische Geräusche am Bike gehört. Ich schaue aus dem Fenster. Da steht ein total verschwitzter junger Mann und schließt sein Bike ab. Dann sehe ich, dass er mit ziemlich viel Gepäck unterwegs ist. Ich eile gleich zu ihm und frage auf englisch, woher er kommt, was er macht, und so weiter, und so weiter.
Das Tolle: Ich bekomme eine Antwort auf englisch. Es ist ein Russe, der mit seinem Bike nach Madrid geflogen ist, um von dort nach China zu fahren. Wir klären noch schnell ab, ob wir morgen eventuell zusammen fahren können. Es könnte passen. Wir verabreden uns für das Abendessen. Mal schauen, ob was zusammengeht.

Das Bild ist von gestern kurz vor der Grenze zu Asien.

Von Cross-Eurasia

Donnerstag, 18. Juni 2009

Donnerstag, der 18.06.2009, Atyrau

[Falk] Der Abend gestern ist doch noch versöhnlich ausgegangen. Unser Fehler: Wir haben uns einfach zu spät gewaschen. Wir haben förmlich Salzkrusten an uns und riechen daher auch nicht besonders gut. Nun können wir nur wenig russisch und die einfachen Leute hier natürlich auch kein englisch. Und - hier sind die Sanitäranlagen einfach draußen. Das muss man erst einmal mitkriegen... Als ich mich geduscht habe um ins Bett zu gehen, war ich noch gar nicht richtig aus der Dusche raus und wurde ins Haus eingeladen.

Von Cross-Eurasia

Ich konnte gar nicht mehr meine Sachen ablegen. Wir haben unseren Gastgebern, einfach gesagt, für die gute Stube zu sehr gestunken. Der Nachteil ist, dass es wieder sehr spät geworden ist. Im Haus haben wir dann vergorene Kamelmilch getrunken, irgendeinen quarkähnlichen Käse gegessen und - wieder raus aus Russland - keinen Alkohol getrunken.
Heute Morgen musste ich gegen drei Uhr das Überzelt über unser Innenzelt hauen, denn es fing heftig an zu schütten. Und das in der Steppe. Unsere Gastgeber sind auch gleich wach gewesen und wollten mir beistehen (helfen nicht, man wäre ja nass geworden). Ich meinte dann, dass alles okay ist und wir trocken bleiben werden.

Wir fuhren heute dann nach zwei Stunden Schlaf ab sieben Uhr Richtung Atyrau. Wieder bei heftigstem Gegenwind, elf km/h im Schnitt. Wir finden uns langsam damit ab, dass es hier wohl nicht anders werden wird. Erster, zweiter, maximal dritter Gang - wie deprimierend. Dafür aber mit einer 100er Trittfrequenz. Anders wird man dem nicht Herr. Nach 67 Kilometern und acht Stunden mit Pausen waren wir dann endlich in der Stadt, die halb europäisch und halb asiatisch ist. Wir schlafen heute in Europa und essen gerade in Asien zu Abend, lustige Vorstellung. Leider konnten wir uns hier nicht registrieren. Die Behörde hatte schon zu. Im Hotel war es auch etwas schwierig, wir können wahrscheinlich nur bis morgen acht Uhr bleiben. Wir werden wohl oder übel noch einmal umziehen müssen.

Koep Vachment (Vielen Dank)

Nachtrag:
Wie ihr ja schon lesen konntet, haben wir Internet gefunden. Das war wieder einmal nicht ganz einfach. Wir haben uns in ein Taxi gesetzt und haben versucht dem Fahrer zu erklären, was wir wollen. Er setzte uns an einer Bar ab und meinte, dass da Internet ist. Er stecke 300 Tenge ein (1,50 EUR) und fuhr weiter. Leider hatte diese Bar kein Internet. Wir hatten aber seit heute morgen nichts gegessen, daher waren wir nicht ganz undankbar. Ich habe also schnell Tagebuch geschrieben und nach einem Burger und einer Pizza gingen wir weiter. Wir fanden ein weiteres Taxi. Diesmal aber mit einem jüngeren Fahrer. Er telefonierte zweimal und setzte uns vor einem „WWW“ Laden ab. Dieser hatte zwar Internet, aber keine Möglichkeit, WiFi zu empfangen. Einen USB-Anschluss hatten die in ihren Rechner auch nicht, ergo ungeeignet. Der Taxifahrer war natürlich schon wieder weg. Dann gingen wir deprimiert zu Fuß weiter Richtung Europa. Ich startete einen letzten Versuch. Vor einem Fünf-Sterne-Hotel fragte ich jemanden, ob er denn wisse, wo ein Internetcafé sei? Er zeigte auf einen Gebäudekomplex neben uns und meinte, dass wir was essen müssen und dann Internet WiFi nutzten dürfen. Wir hatten zwar schon gegessen, aber so ein Nachtisch passt ja immer rein. Die Internetverbindung war super. Nun wissen wir schon, was es morgen zum Mittagessen gibt. Nämlich türkisch.
Ach ja, aus dem Hotel müssen wir auch nicht raus. Wir dürfen noch eine Nacht länger bleiben.

Mittwoch, der 17.06.2009, Novobogatinskoe

[Falk] Wir schlafen heute bei einer Großfamilie, die in einer Lehmhütte lebt. Wir haben uns hier heute quasi selbst eingeladen. Eigentlich wollten wir nur in ein Magazin (Tante Emma Laden), aber ich habe einfach gefragt, ob wir unser Zelt hier abstellen dürfen. Wir wollten eh kurz nach dem Dorf schlafen, also warum nicht. Nach einigen verdutzten Blicken haben sie uns gewähren lassen. Ich schreibe das mit Absicht etwas mit Distanz, denn das Eis ist hier noch nicht so richtig gebrochen. Ich habe signalisiert, dass wir uns morgen früh wieder verabschieden. Dann haben sie uns Decken auf den Boden gelegt, ich habe Tee gekocht, und wir haben ihn zusammen getrunken. Aber immer mit Skepsis auf der einen und grenzenloser Neugier auf der anderen Seite. Wir sind hier momentan mit den Einheimischen menschlich noch nicht so richtig zusammen gekommen, vielleicht gibt sich das noch.

Von Cross-Eurasia

Heute war wieder ein Tag zum Vergessen. Wir sind viel zu spät aufgestanden und erst gegen neun Uhr los. Da waren es dann schon über 30 °C und wir hatten natürlich wieder Wind von vorn. Wir sind den ganzen Tag gefahren und nicht über einen 13er Schnitt gekommen. Echt abgefahren. Wir haben nach 65 km in einem kleinen Ort ein Magazin gefunden indem wir unsere Wasser- und Essensvorräte wieder auffüllen konnten. Natürlich wieder mit 15 Leuten (alle männlich), die um das Fahrrad stehen und Bauklötze staunen. So richtig Pause war da natürlich bei 45 °C, dazu noch in der Sonne stehend, auch nicht. Wir fuhren also weiter bis wir etwa drei Kilometer außerhalb eine Bushaltestelle gefunden haben. In dieser verweilten wir dann anderthalb Stunden, in denen es sich aber nicht wesentlich abgekühlte. Dann drehte der Wind. Wir waren in dem Moment so fertig, das wir fast in der Bushalte eingeschlafen wären. Wir schauten uns an, nickten, setzen uns stumm aufs Bike und fuhren mit 25 – 30 Sachen weiter. Jetzt, nach weiteren 20 km, haben wir dann aber doch den Kanal voll, obwohl der frühe Abend besser war als der Rest des gesamten Tages. Die Landschaft hat sich auch wieder etwas geändert. Sie ist noch flacher geworden und es gibt noch mehr Kamele links und rechts von der Straße. Ach ja, warum kommen wir nicht früher raus? Wie schon erwähnt, haben wir zwei Stunden verloren. Wir mussten ja wieder die Zeit umstellen.

Dienstag, der 16.06.2009, 25 Kilometer nach Zaburune

[Falk] Das wird hier kein Zuckerlecken. Liebe Leute, wir wissen momentan gar nicht, wo uns der Kopf steht. Also uns geht es ganz gut. Nur hatten wir heute den ganzen Tag Wind von vorne, dazu 38 °C und Sonne satt. Laut verschieden Aussagen von unterschiedlichen Leuten soll das hier auch nicht viel besser werden. Hinzu kommt, dass die Straßen immer schlechter werden. Dann die Einöde mit langen Straßen, die 20 km nur gerade aus durch die Steppe oder Wüste gehen und ab und zu ein paar Kamele, Rinder und Schafe. Wenn man dann aller 50 km ein kleines Dorf sieht, könnte man denken, dass wir ja fast da sind. Doch die Optik hier scheint verschoben. Es sind dann immer noch zehn und mehr Kilometer. Noch ist es ganz gut erträglich und auch ein wenig spannend. Aber wir müssen hier noch 40 Tage fahren. Nach fast 100 Kilometern haben wir Schluss gemacht und campen mitten in der Botanik. Hier ist nichts, außer Sand, kleine Dornenbüsche, Mücken, Zecken und aller zehn Minuten mal ein Auto. Vielleicht schreibe ich auch in drei Tagen, wie herrlich es hier ist, wenn wir mal Rückenwind hatten. Heute reicht es uns.

Montag, der 15.06.2007, Ganyushkino (Kasachstan)

[Falk] Es ist hier gerade 23 Uhr. Wir sitzen an einem kleinen Fluss, der in etwa vier Kilometern ins Kaspische Meer mündet. Hunderte Frösche freuen sich mit uns, dass wir nach Kasachstan einreisen durften. Wir haben es geschafft, wir sind einen weiteren großen Schritt Richtung China gegangen. Diesmal gab es an der Grenze fast keine Probleme. Auf russischer Seite hat man uns nicht einmal nach unserer Registrierung gefragt. „Sie wollen wirklich ausreisen? Dann können sie aber nicht mehr zurück“. Nur auf der kasachischen Seite war es etwas schwieriger. Hier mussten wir, wie in allen ehemaligen russischen Ländern, eine Migrationskarte ausfüllen. Da Katja einfach die schönere Handschrift hat, darf sie diesen Part für uns übernehmen. Nach einiger Fragerei, wann wir denn rüber dürfen, zeigte ein gelangweilter Grenzer auf 13 Uhr russischer Zeit. Also 45 Minuten in der prallen Sonne sitzen und warten. Nach 15 Minuten hatte er dann doch Erbarmen. Ich wurde von einem Ranghöheren mit Handschlag begrüßt. Frauen gibt man keine Hand. Das machen die Männer übrigens schon seit der Ukraine nicht mehr. Er fragte, ob er sich auf das Fahrrad setzen kann. Ich bot ihm stolz meinen Platz an. Er erreicht kaum meine Pedalen. Normalerweise steigen die Leute nach einer Minute wieder ab. Kaum hatte ich mich versehen, war ein zweiter hinten aufgestiegen und dann wollten die losfahren. Erstes Problem, Liegerad fahren kann man nicht einfach, dass muss man lernen. Tandem fahren sollte man auch schon einmal gemacht haben und mit Gepäck, ist es dann noch mal eine ganz andere Geschichte. Fazit? 37 °C und schweißgebadet vor Angst um unsere Sachen liefen Katja und ich stützend wie es nur irgend ging nebenher. Dann meinten die allen Ernstes, das wir loslassen sollen. Njet, no, nein... Ich zog die Bremse, diese Wirkung überraschte sie ein wenig. Ich versuchte so freundlich wie möglich zu bleiben, Katja verdrehte schon leicht die Augen. Sie liesen ab und bedankten sich. Das Fahrrad stand jetzt 30-40 Meter hinter der Grenze. Dann durften wir zur Grenzkontrolle. Pass, ritsch-ratsch Stempel, fertig. Alles klar, ihr dürft rein. Dann kam der mit den meisten Sternen des Tages, natürlich nur zu mir (Frauen, wer braucht die schon) und gab mir einen Zettel, den ich ausfüllen sollte. Katja musste/durfte am Rad bleiben, nur ich musste mit. Geil, alles auf kyrillisch. Ich schaute ihn an und er schob den Stapel mit den englischen Formularen gekonnt zur Seite. Ich habe kein Wort lesen können. Ich verglich mit der Migrationskarte und füllte alle Felder die ich finden konnte aus. Das reichte etwa für die Hälfte des Antrags. Dann versuchte ich einen der Grenzer, der mit dem Rad gefahren war, zu fragen. Er erbarmte sich dann, nur eben leider auch nicht auf Englisch. Er fragte den Mächtigen, ob er denn nicht doch das englische Formular rausgeben kann? „Njet“. Nach zwei Minuten wurde der hilfsbereite Grenzer woanders hin delegiert. Ich versuchte also weiter diesen Zettel auszufüllen, ohne eine Ahnung zu haben, was ich da tue. Ich gab dem mit den vielen Sternen den Zettel und fragte, ob alles korrekt ausgefüllt sei. Natürlich nicht, das wohin und woher fehlt, Passportnummer...? Leider zeigte er dabei nicht auf die Felder. Schrecklich! Ich habe einen neuen Zettel bekommen. 38 °C... Ich füllte wieder Felder aus. Diesmal standen zwei Einheimische, die auch einreisen wollten da und halfen mir. Nach etwa 40 Minuten durften wir dann endlich weiter. Dieses Formular war die Deklaration für Devisen, obwohl wir noch nicht mal genug zu deklarieren hatten.
Dann, nach drei km die erste Polizeikontrolle... Katja musste mit rein, zur Registrierung. Dann waren wir wirklich in Kasachstan. Nach ein paar weiteren Kilometern standen wir vor einer Kamelherde. Richtig gelesen, einer Kamelherde. Lieber pp.: Ja, es gibt hier Kamele und sorry, dass wir schon wieder am Telefon getrennt wurden. In Atyrau werden wir uns eine kasachische SIM-Karte holen.
Den ganzen Tag hatte wir übrigens Gegenwind. Wir sind um 6:10 Uhr gestartet und waren gegen 21:00 Uhr an einer kleinen Gastinitsa in Kasachstan. Ein sehr aufreibender Tag geht nun zu Ende, aber wir sind glücklich. Mittlerweile sind es vier Stunden Zeitverschiebung zu Deutschland. Gute Nacht...

Fazit Russland

[Katja + Falk] Russland war sehr schön. Wir haben wieder viele nette und herzliche Menschen kennengelernt. Auch unser Sicherheitsempfinden war durchweg gut. Wir hatten nicht einmal Angst, dass uns irgendetwas zustoßen könnte. Das Wild campen hat immer gut funktioniert, auch wenn man manchmal unser Zelt von der Straße aus sehen konnte. Armut gibt es in jedem Fall auch hier, doch haben wir das Gefühl, dass es den Menschen hier um einiges besser geht als denen in der Ukraine. Ansonsten hat sich zur Ukraine, was einkaufen o. ä. betrifft, nicht viel geändert. Auch die Fahrzeuge sind dieselben, nur das hier schon vermehrt neuere Autos fahren.
Die Straßen waren, wenn vorhanden, meist gut bis sehr gut. Es gab überall Straßenmarkierungen und Schlaglöcher musste man schon suchen. In Russland kommen aller 50-100 km sogenannte DPS-Stationen, das sind Verkehrspolizeistationen, bei denen die Polizisten fast alle vorbei fahrenden Fahrzeuge anhalten und kontrollieren. Administrativ hatten wir aber bis heute keine Probleme. Die Polizei hat immer sehr erstaunt geschaut und uns ohne Passkontrolle passieren lassen.
Die Landschaft hat sich während der letzten 1000 km massiv geändert. Sind in der Ukraine noch überall Felder und vereinzelt Wälder zu sehen, ist es jetzt nur noch vertrocknete, einsame Steppe. Nur wenn wir Richtung Wolga kamen, hat man noch grüne Flächen und Wald erblicken können. Die Gegend um die Wolga ist eben eine kleine Oase (für Mücken).

Samstag und Sonntag, 13.-14.06.2009, Astrachan (Pausentage)

[Katja] Wir haben uns entschieden, eine Nacht länger hier zu bleiben und die Fahrt zum und über den Grenzübergang an einem Tag zu meistern. Im Grenzgebiet wild campen ist vielleicht nicht so toll. Deswegen wird es morgen wohl ein langer Tag werden. Somit hatten wir noch einmal einen ganzen Tag in Astrachan. Wir haben heute unser Zelt von hunderten Fliegenleichen befreit und uns mit Nahrung für die nächsten Tage eingedeckt.
Morgen werden wir dann so früh wie möglich, ca. gegen sechs Uhr russischer Zeit, starten und Kasachstan „knacken“.

Samstag, 13. Juni 2009

Freitag, der 12.06.2009, Astrachan (Pausentag)

[Falk] Heute haben wir wieder zu Fuß einen Ausflug in den Nordosten der Stadt unternommen. Dieser Teil der Stadt ist nicht so schön, teilweise haben wir uns an die Ukraine zurück erinnert. Nach einer dreistündigen Wanderung kamen wir an einem Subways an. Den haben wir schon gestern entdeckt. Somit wussten wir, dass es dort kostenloses WiFi Internet gibt. Das hat uns heute sehr weiter geholfen, denn wir müssen uns langsam aber sicher mit unseren Chinavisa auseinander setzen. Ich hoffe, dass wir heute die richtigen Weichen gestellt haben und wir in Almaty am 10. August unsere Zweitpässe mit Chinavisa in der Hand halten können. Hier ist ein wenig Daumen drücken durchaus angebracht. 
Auf diesem Weg möchten wir uns heute für die vielen Gästebucheinträge, E-Mails, Mitleidsbekundungen, Aufmunterungen und Aufmerksamkeiten bedanken. Wir sind froh, dass sich um uns schon eine so große Internetgemeinschaft gebildet hat. Wir merken dadurch, dass sich die Mühe lohnt, ein Tagebuch für die Öffentlichkeit zu schreiben. Es wird die nächsten Monate wahrscheinlich etwas schwerer sein, Internet zu finden. Wir möchten den Tagebuchstil dennoch weiter so beibehalten. Es ist für uns einfach auch schön, wenn wir in 10, 30 oder 50 Jahren jeden einzelnen Tag noch nachvollziehen können. Also habt Geduld - und noch einmal vielen Dank.
Eine Bitte hätte ich aus gegebenen Anlass noch. E-Mails die größer als 1 MB sind, können wir nur schlecht empfangen oder sitzen beim Download, bei den hiesigen Verbindungen, sehr lange. Bevor ihr uns große Dateien, vor allem Bilder sendet, rechnet diese bitte runter! Dazu gibt es viele Anleitungen im www. Danke.  
Ich werde mich heute ein wenig mit dem Bike beschäftigen und das ein oder andere erneuern, ölen und alle Schrauben überprüfen, denn nach 4000 km ist das auch langsam angebracht. 

Freitag, 12. Juni 2009

Donnerstag, der 11.06.2009, Astrachan (Pausentag): Der Rebell ist tot!

[Falk] Sechs Jahre habe ich jetzt lange Haare getragen und dies hat mir wahrscheinlich das Leben nicht vereinfacht. Viele Vorurteile, Anfeindungen, unzählige Polizeikontrollen und das Gefühl, dass man nicht ernst genommen wird habe ich ertragen, nur weil ich zu faul war zum Frisör zu gehen. (Hi hi...)
Jetzt war es soweit, ich habe mir meine Haare abschneiden lassen.



Liebe Oma, ich hoffe du magst mich immer noch, auch wenn du meine Haare so sehr geliebt hast.
Mein Kopf ist mir die letzten Tage bei dieser Hitze fast geplatzt. Schwitzend unter dem Helm, hat es quasi keinen Luftzug durch mein Filz gegeben. Ich hatte zwei-, dreimal das Gefühl, dass ich vor Wärme umkippe. Das warme Wasser aus meiner Trinkflasche brachte auch keine Abkühlung. Aufgrund der nächsten zwei Monate durch heiße bis sehr heiße Gebiete musste ich etwas unternehmen. Ich bin erleichtert und kann hoffentlich die nächsten Tage entspannter angehen. Lang lebe der Rebell!!
Heute haben wir uns Astrachan angeschaut und wir sind sehr überrascht. Diese Stadt befindet sich im Umbruch. Man hat hier die neuen großen Hochhäuser der letzten Jahre, aber auch die alten Gassen der letzten 100-400 Jahre. Diese Stadt bietet viel. Wir haben uns richtig verliebt.



Wir sind fast fünf Stunden durch die Stadt gelaufen und haben einen ersten Eindruck bekommen. Mal schauen ob wir noch einen Reiseführer auftreiben können, um diese Stadt noch tiefer kennen zu lernen. Ich bin sehr gespannt.

Donnerstag, 11. Juni 2009

Mittwoch, der 10.06.2009 Astrachan

[Falk] Vier Fahrtage für 430 km, wir haben einen ziemlichen Sprint hinter uns und vier freie Tage herausgefahren. Wir sind in Astrachan angekommen und es hat uns fast umgehauen... Hier sind 45 °C im Schatten. Die letzten Tage konnten wir immer noch über Mittag fahren, aber langsam kommt die Zeit, in der das lieber nicht mehr gemacht werden sollte. Astrachan liegt nur 60 km von der Kasachischen Grenze entfernt und unser Visa beginnt erst am 15. Juni. Wir sortieren uns hier erst einmal. Denn wir haben einige Dinge zu erledigen, bevor wir weiter fahren können. Unter anderem müssen wir unser Zelt reinigen. Es lies sich leider nicht vermeiden, dass wir hunderte von Fliegen mit in unser Zelt beim Zusammenpacken eingerollt haben.



Das Zelt ist ein Fliegenfriedhof geworden. Das blöde dabei ist, dass die Fliegen unter Druck zerquetschen und hässliche Flecken hinterlassen. Des weiteren müssen wir uns noch andere Kleidung organisieren. Herr Nehberg empfiehlt in seinem Buch luftige, weiße Baumwolle, einen leichten Stoffhut und Wasser, Wasser und noch mehr Wasser, wenn man eine Wüstendurchquerung plant. Auch am Fahrrad gibt es einiges zu tun. Die Scheibenbremsklötze müssen erneuert werden, die Kette geölt und der Ständer festgezogen werden. Und vor allem müssen wir uns erholen, denn die letzten 1000 km haben wir in zwölf Tagen, bei teilweise subtropischen Temperaturen hingelegt. Das ist toll, schlaucht aber auch mächtig gewaltig. Ich habe so viel abgenommen, dass ich gestern von Katja eine kleine Standpauke bekommen habe. Wir gehen also heute einen Mc Donalds suchen...

Dienstag, der 09.06.2007 hinter Lenino (auf einem Hügel)

[Katja] Heute morgen starteten wir im absoluten Fliegenhimmel. Tausende und abertausende Fliegen und Mücken nervten uns schon beim losfahren. So schlimm wie gestern kann es eigentlich nicht wieder werden. Denn auf einen Kubikzentimeter kamen ungefähr fünf Fliegen. Falk ist immer sehr heldenhaft. Ich darf im Zelt sitzen bleiben, während er raus stürzt, um alles zu verpacken.
Wir fuhren heute wieder 120 Kilometer mit Gegenwind. Es war leider doch nicht so flach, wie ich mir das vorgestellt habe, aber durchaus machbar.
Irgendwann kommen eben keine Büsche mehr. Diesen Satz haben wir schon oft von anderen Weit-Reisenden gehört. Jetzt hat es uns auch erwischt. Wir finden nichts Schützendes zum schlafen.



Meine Versuche an einer Tankstelle nachzufragen, um da zu schlafen, scheitern an gelangweilten Leuten. Wir campen also heute nicht weit von der Straße auf einem kleinen Hügel und man kann unser Zelt gut sehen. Ich bin ja mal gespannt wie die Nacht wird.
Die Landschaft hat sich stark geändert. Es gibt keine Wiesen und Wälder mehr. Dafür sind wir jetzt mitten in der Steppe, die trocken und heiß ist. Nachts ist es dafür schön kalt.

Montag, der 08.06.2009 kurz vor Prishiw

[Falk] Diese Fliegen, das kann man nicht erklären, dass muss man erlebt haben. Nach den Erfahrungen von gestern Abend, wollten wir heute Morgen so schnell wie möglich starten. Wenn wir fahren können uns die Fliegen nicht folgen. Die Einheimischen haben hier das gleiche Problem. Die einen haben sich mit Gardinen als Schutz ausgestattet, die anderen ignorieren sie gekonnt. Die Mücken, die sich unter die Fliegen mischen, sind das nächste Problem. Vor allem für Katja. Wenn sie einen Stich bekommt, schwillt dieser zu einem Untertassen großen Fleck an, bleibt zwei Tage, juckt über die gesamtem Fläche und reibt an der Hose. Aufgrund der Masse der Fliegenbiester erkennt man die Mücken nicht mehr. Von den Mücken gibt es nicht minder viele... Kaum war ich heute Morgen aus dem Zelt raus und habe drei Dinge erledigt, habe ich die ersten vier Stiche bekommen. Dazwischen habe ich immer wieder Fliegen aus dem Mund, den Augen und Ohren gefischt. Was für ein Spaß. Die ersten 20 km waren wir froh auf dem Bike zu sitzen - wenigstens mal keine Viechter. Dann die erste Tankstelle. Zwei Sekunden nachdem wir stehen geblieben sind, waren auch schon wieder hunderte von diesen Biestern zur Stelle.



Wir flüchteten in den Minimarkt. Dort kaufen wir zehn Liter Wasser und versuchten die Wasserbeutel am Fahrrad zu befestigen. Wir beide benötigen momentan bei der Hitze etwa sieben bis acht Liter am Tag. Die Temperaturen werden noch weiter steigen und wir werden dann noch mehr Wasser mit uns führen müssen. Heute campen wir wieder wild in einem kleinen Waldstück mit Mücken und Fliegen. Morgen geht's weiter Richtung Astrachan. Wenn alles klappt, sind wir am 10. Juni in Astrachan und müssen noch vier Tage ausharren, bis wir über die Grenze nach Kasachstan fahren können.

Sonntag, der 07.06.2007 Wjazowka

[Falk] Heute Morgen verlassen wir das Hotel gegen zehn Uhr. Wir fahren durch Volgograd Richtung Astrachan. Volgograd, so haben wir erfahren, ist eine der längsten Städte der Welt. Wir fuhren 50 km südlich, bevor wir aus ihr heraus waren und wir waren ziemlich im Zentrum. Zum Glück mussten wir keinen Berg mehr fahren, heute war es einfach nur ganz flach. Dazu kam dann eine große Prise Rückenwind. Wir donnerten teilweise mit 35 Sachen Richtung Südosten. Das machte sich dann auch am Schnitt bemerkbar, denn wir erreichten heute nach 120 km eine 22 km/h Durchschnittsgeschwingigkeit. Das hatten wir bisher mit Gepäck auch noch nicht geschafft.
Es ist trotzdem heute nicht alles gut gelaufen. Wir benutzen eine 50er Sonnencreme, dir wir eigentlich immer sehr behutsam auftragen. Bis jetzt ist auch noch nie viel Sonnenbrand bei uns in Erscheinung getreten. Heute Morgen jedoch entfernte ich meine Hosenbeine, denn es ist einfach zu warm für diese Dinger. Genau diese Stellen, wo vorher die Hose war, habe ich mir jetzt jämmerlich verbrannt.

Vor etwa anderthalb Jahren besuchten wir einem Vortrag von Michael Grünebach (www.pekingradler.de). Er ist 2007 eine ganz ähnliche Tour wie wir sie jetzt machen gefahren. Er erzählte, das er zwei Wochen lang massive Probleme mit kleinen Fliegen hatte, sogenannte Sandfliegen. Heute haben wir den ganzen Tag gemerkt, dass diese Dinger uns irgendwie verfolgen. Am Extremsten war es, wenn wir stehen geblieben sind. Dann kam gleich eine Hundertschaft von diesen Sandfliegen an. Man hält das nur schlecht aus. Die Viecher sind so schlimm, die gehen auf die Augen und fliegen in die Ohren - eine echte Qual. Ich habe jetzt das Innenzelt aufgestellt und Katja hat schnell alle notwendigen Sachen in das Zelt geschmissen. Jetzt sitzen wir hier in unseren Zelt und schließen Wetten ab, wer zuerst aufs Klo muss... Ich habe mir eine Zwei-Liter-Bonaquaflasche gesichert...

Samstag, der 06.06.2009 Volgograd (Pausentag)

[Falk] Unweit von unserem Hotel entfernt steht das Panorama-Museum, ein dreistöckiges Elefantenklo. So ähnlich wie die Panorama-Leinwand in Bad Frankenhausen. Ich hatte mich vor etwa zwei Jahren, als wir die Route geplant hatten, damit auseinander gesetzt. Heute konnten wir damit einen kleinen Traum von mir verwirklichen. Unten ist eine Waffenaustellung der russischen Armee und Fundstücke der deutschen 6. Armee (danke an Robert, hab da was durcheinander gebracht). Es sind auch viele private Sachen von Armeeangehörigen aus dieser Zeit ausgestellt. Man kann hier den Alltag des 2. Weltkrieges (2. großer vaterländischer Krieg) in erdrückender Art und Weise ansatzweise nachvollziehen. Es fehlen nur noch die Kälte, der Geruch und der Hunger, den die Menschen damals hatten. Aber die Stimmung, die diese Anlage vermittelt, ist echt gruselig. Das ist echter Wahnsinn, diese Waffen zu sehen, zu wissen, das die mal funktioniert und Menschen getötet haben. Man durfte diese Waffen auch anfassen. Leider gab es keine Touren in Englisch oder in Deutsch, was es uns vielleicht etwas vereinfacht hätte. Wir waren wahrscheinlich heute die einzigen Ausländer in diesem Museum. Im 2. Stock war eine Ausstellung über russische Uniformen, eher langweilig. Im dritten Stock war dann die Panorama-Leinwand über die Einkesselung der deutschen Armee in Stalingrad. Es ist ein Mix aus einer Plastik am Boden, die in ein riesiges Panoramabild an der Wand über geht. Ich schätze, dass das Bild einen Durchmesser von 50 Metern hat. Leider wirkte dieser Bereich etwas verstaubt und verfallen. Es ist sehr schade, das etwas so Beeindruckendes nicht besser gepflegt wird.
Den Rest des Tags verbringen wir mit leichter Muskelbewegung (in Form von Ssazierengehen), überdimensionale Mücken-Stich-Pflege, Vorräte auffüllen und Beine hochlegen. Morgen werden wir dann weiter Richtung Astrachan fahren und das erste mal in unserem Leben auf Straßen unter dem Meeresspiegel sein. Je näher wir dem Kaspischen Meer kommen, desto tiefer geht es.

Samstag, 6. Juni 2009

Freitag, der 05.06.2009 Volgograd


[Falk] Mir stehen heute Tränen in den Augen. Wir sind in Volgograd! Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg nach Peking. Heute waren wir uns nicht sicher, wie weit wir kommen. 60 km hatten wir uns vorgenommen und wenn es gut geht, würden wir auch mehr fahren. Ich hatte Volgograd schon auf dem GPS, aber nach fünf Tagen Fahrt in Russland und keiner Übernachtung im Hotel oder Pension, haben diese Tage schon sehr geschlaucht. Nach 30 km wurde es endlich flacher. Seit Polen haben wir eigentlich keine zehn km mehr ohne Hügel gehabt. Wir sind teilweise mit 26-30 Sachen gefahren, ohne uns sonderlich zu verausgaben. Ich sage euch, das macht Spaß! Meinen Knien geht es von Tag zu Tag besser. Wir sind richtig gut voran gekommen. Nach 70 km entschieden wir uns, bis Volgograd zu fahren. Jetzt, nach 112 km, sind wir endlich da. Ich bin so froh, dass bis hierher alles so gut funktioniert hat, ein richtiges Hochgefühl, wir konnten es heute gar nicht fassen, als wir die Stadtgrenze gegen 17 Uhr durchfahren haben. Wir machen jetzt einen Tag Pause, bevor wir weiter Richtung Astrachan fahren. Wenn alles klappt, sind wir unsere 900 km in Russland in elf Tagen gefahren und können uns bis zum 15. Juni etwas Zeit lassen Da fängt unser Kasachstan-Visum an. Wir haben in einem Hotel eingecheckt und suchen noch Internet, um euch zu updaten. Morgen werden wir in das Museum des 2. Weltkrieges gehen und uns die Stadt anschauen. Wir sind auf diese Stadt sehr gespannt.

Donnerstag, der 04.06.2009 Lisow

[Falk] Nachdem wir heute morgen zur Tankstellen-Attraktion mutiert sind, machten wir uns schnell vom Acker. Mit Rückenwind ging es die ersten 30 km wie im Flug weiter in Richtung unseres nächsten Zieles, Wolgograd. Es ist hier momentan einfach herrlich, die Berge, bzw. Hügel sind wesentlich flacher, maximal 5%. Es geht zwar immer noch hoch und runter, es ist dennoch nicht halb so schlimm wie in der Ukraine. Die Straßen sind ein Traum, nachdem was wir jetzt schon alles gewöhnt sind. Wir haben immer viel Platz zu Lkw und Autos und dadurch, dass die Polizei hier wesentlich präsenter ist, rasen die auch nicht so. Ein kleines Manko gibt es dennoch. Diese Ecke Russlands ist nicht sehr dicht besiedelt. Wir müssen ganz schön aufpassen, dass wir genug Wasser finden. Wir versuchen, mit nicht weniger als fünf Litern loszufahren und kaufen uns immer wieder, wenn wir die Möglichkeit dazu haben, an dieses Limit heran. Wahrscheinlich müssen wir bald zehn oder noch mehr Liter mit uns führen. In nicht einmal mehr zehn Tagen erreichen wir Kasachstan, dann wir es richtig krass: Wüste, Steppe und noch weniger Infrastruktur. Wie wir uns jetzt schon darauf freuen!! Uns erwischte heute ein heftiger Regensturz. Die ersten 20 Minuten ertrugen wir die nette Abkühlung, bis es uns zu kalt wurde und wir uns unter unsere Plane verkrochen. Dort machten wir dann eine Stunde Pause, bis der Regen aufhörte und wir nach weiteren 20 km unseren heutigen Schlafplatz irgendwo in der russischen Pampa gefunden haben.  



Noch eine kleine Statistik am Rande. Wir haben mal nachgeschaut, wieviele Klicks pro Tag auf unserer Seite gemacht werden. Es sind pro Tag zwischen 30 und 60 Leute auf unserer Seite. Insgesamt haben wir die letzten beiden Monate 3600 Klicks von 580 eindeutig erkennbaren Rechnern bekommen. Am meisten werden wir in München und, für uns zur Überraschung, in Berlin (ein herzlicher Gruß in die Hauptstadt, woher kennt ihr uns?) gelesen, gefolgt von den Leipzigern, den Ruhrpottlern und Geraern. Auf der Länderseite steht Deutschland, gefolgt von der Ukraine, an erster Stelle. Wir haben aber auch Klicks aus Ecuador, Japan und sogar aus Indien... Europa ist übrigens mit fast allen Ländern vertreten. Do swidanja.

Mittwoch, 03.06.2009 Tschjernischhowskij (hinter einer Tankstelle)

[Falk] Heute Morgen haben wir uns sehr viel Zeit gelassen und sind erst gegen zehn Uhr gestartet. Mittags wird es jetzt immer wärmer, 35 °C waren es heute. Das macht sich natürlich auch an unserem Wasserverbrauch, der täglich größer wird, bemerkbar. Nach etwa 40 km erreichten wir eine Stadt, die erste größere Ansammlung von Häusern seit 150 km. Auch eine Bank haben wir ausfindig machen können. Ich schnappte mir meinen Pass und wollte Geld abheben. Ich ging also in diese Bank hinein. Nach fünf Minuten war ich so verwirrt, wie das hier wohl funktioniert, dass ich resigniert einen Geldautomaten suchen wollte. Beim hinausgehen fragte mich eine Angestellte, ob sie mir helfen könne. Ich sagte zur ihr, dass ich doch nur Geld holen möchte. Sie meinte dann, dass es einen Bankomat leider noch nicht gibt. Ich müsse mich am Schalter anstellen. Nach zehn Minuten warten holte ich meine Maestro raus - wird nicht akzeptiert. Dann eben die Visa. Wieviel ich möchte? „8000 Rubel bitte“. „Wirklich so viel...?“ (200 EUR) „Ja bitte“, dann benötigen wir ihre PIN und ihren Pass. Pass ja, aber PIN? Hallo - für was? Ihr habt doch meinen Pass... Nein, ohne Pin kein Geld. Wer hat denn bitte schön von seiner Visa den PIN im Kopf? Also raus aus der Bank, zum XO und PIN gesucht. Nach zehn Minuten habe ich diesen gefunden. Wieder rein in die Bank, wieder eine Schlange: „Bitte hinten anstellen!“. Gleiches Spiel noch einmal, aber diesmal mit der Begleitung der Chefin. „Sie wollen wirklich 8000 Rubel?“ „Jaaaa!“ Minutenlang wurden wirklich alle Daten aus meinem Pass und aus dem Visa aufgenommen, dann kam die VISA-Karte ins Spiel. Ich musste keinen PIN eingeben, die Bankchefin stand ja da... Ich bekam alles zurück und eine Nummer in die Hand gedrückt. Damit musste ich dann noch zur Kasse gehen. Natürlich war da wieder eine Schlange...
Katja meinte, dass ich insgesamt eine Stunde in der Bank war. Das alles für 200 EUR... Katja wurde natürlich, wie es immer ist, wenn wir in einer Stadt stehen, von min. 50 Leuten angegafft, fotografiert und ausgequetscht. Ich habe in der Bank mitbekommen, dass sich unsere Story herumspricht. Katja hat wohl draußen den Leuten erfolgreich verständlich machen können, was wir vorhaben. Ich musste dann drinnen die Fragen nur noch nickend bejahen. Auf einmal waren die unfreundichen Leute um mich herum äußerst nett und hilfsbereit... Nemjetskij, Welosipjed, Pekin...malatsi! (Deutsche, mit einem Fahrrad, nach Peking...Super!)



Als wir wieder los fuhren, passierte das... Scheiße! Eine Schelle ist gerissen und hat den Ketten-schlauch in den anderen gezogen. Totalschaden beider Kettenschläuche. Na super, zum Glück waren wir in einer Stadt, zum Glück war da auch gleich ein Autoteilehändler und zum Glück hatte der Schläuche im Angebot... Nach einer weiteren Stunde kam dann das dabei heraus... Danke!



Heute haben wir bei einer Tankstelle nach 83 km nachgefragt, ob wir da zelten dürfen. Ja klar, kleine Runde mit der Chefin um die Tankstelle, Instantnudeln, Fanta und ab ins Bett.

Dienstag, der 02.06.2009 zw. Milizstation, Tankstelle und Cafe auf einer Wiese

[Katja] Heute Morgen erklärten uns Natascha und ihr Mann, unsere Gastgeber von letzter Nacht, dass die Straßen in dieser Gegend äußerst schlecht sind. Es gibt quasi keine, war ihre Aussage. Sie boten uns an, unser Bike ins Auto zu packen und uns zur nächst größeren Straße zu fahren. Voller Stolz lehnten wir natürlich ab. Also haben sie uns noch eine Weile per Auto begleitet. Dieser Feldweg war nun wirklich kein Zucker schlecken. Heftige Steigungen gefolgt von ewig langen Schlammpfützen und das ganze auf zehn km unserer Strecke. Wir mussten 30 Minuten, nachdem wir eine befahrbare Straße gefunden haben, unser Rad putzen, um überhaupt weiter fahren zu können. 


Wir fuhren den ganzen Tag auf dieser Straße und solch einen guten Weg haben wir seit Polen nicht mehr gehabt. Bestens ausgebaut, großzügige Seitenstreifen und wenig Verkehr. Wir sind quasi im Liegetandem-Himmel. Bloß die blöden LKW mit ihren lauten Hupen nerven ein wenig und die Steigungen sind heftig, aber ansonsten... klasse! Dann hofften wir auf eine Bank, bei der wir endlich unsere ersten Rubel holen können. Wir fragten uns ein wenig durch. Ein Mann meinte dann, dass in 15 km eine Post mit Tankstelle, Hotel und einer Milizstation kommt. Wir waren zwar schon ganz schön fertig, aber 15 km waren angesichts dieser geballten Ansammlung von nützlichen Dingen immer noch drin. 


Die Milizstation und die Tankstelle kamen dann auch nach 15 km, die Bank und das Hotel haben wir nicht gefunden (gab es erst in noch weiteren 40 km). Wir haben noch ein paar Fotos nach Sonnenuntergang geschossen und sind in die Schlafsäcke gefallen.

Montag, 1. Juni 2009

Montag, der 01.06.2009 Gukovo, Tagesziel Tschernetsow (Russia)

Wir sind in Russland!

[Falk] Diesen Tag zusammen zu fassen wird echt schwer. Gestern Abend schauten wir noch einmal alle Unterlagen durch, die man zum Grenzübertritt nach Russland benötigt. Dabei stellten wir fest, dass wir den AXA Auslandskrankenversicherungsschein nur als PDF auf dem XO haben, aber leider nicht gedruckt. Ich hätte platzen können. Am Morgen versuchten wir also der Administratorin beizubringen, dass wir einen Drucker benötigen. Leider hatte das Hotel keinen. Nach acht Telefonaten meinte sie dann, dass ein Freund von ihr kommen wird und mit mir in die Stadt fährt. Wir schliefen etwa sechs km vom Zentrum entfernt. Der Freund von ihr war wenig begeistert, am Sonntagmorgen um acht mit mir durch die Stadt zu gondeln, um einen Drucker zu suchen. Mit 100 Sachen, natürlich wieder ein mal unangeschnallt, rasten wir durch die Stadt. Die zwei Punkte, die wir anfuhren, hatten leider geschlossen. Also mit 120 wieder zurück zum Hotel. Dort kam dann die zweite Administratorin zur Ablösung. Diese hatte aber auch keine Ahnung. Dann riefen die beiden die dritte Hausdame an, die gleich ums Eck wohnt und ich ging mit in ihre Wohnung. Nach einer lustigen Viruswarnung, nachdem ich unseren Stick in den Rechner geschoben habe und die ich wegklicken durfte, hatte ich diesen Versicherungsschein in der Hand. Wieder zurück zum Hotel, noch schnell das Fahrrad aufgebaut und weg.
Nach 14 km erreichten wir glücklich die Grenze. Nach einer lustigen Unterhaltung mit Fotos, war dann auch gleich Schluss mit lustig. Es hieß nur noch „Problem!“. Katja und ich wurden getrennt. Der Rest, so habe ich versprochen, bleibt zwischen den Grenzern und mir ein Geheimnis. Wir durften ausreisen! :)
Die Einreise nach Russland war dann einfacher. Pass, ritsch-ratsch, lächeln und ritsch-ratsch, Visa-Kontrolle und schon standen wir auf russischem Boden. Glücklich und im wahren Sinne des Wortes erleichtert, haben wir die Grenze überschritten. Ach ja, den Versicherungsschein mussten wir nicht vorzeigen.

Nach zehn km in Russland wurden wir auch schon prompt eingeladen. Ich hatte vor lauter Aufregung das Frühstück am Morgen ausgelassen. Katja hatte auch noch nicht viel mehr gegessen. Also sagten wir zu. Was dann kam, hat uns wieder ein mal sehr überrascht. Die ganze Armut in der Ukraine hat uns doch sehr zum Nachdenken gebracht. Hier, nach der Grenze, ist alles anders. Die Straßen waren auf einmal klasse, die Häuser sahen nett aus und der ganze Müll am Straßenrand war mit einmal verschwunden. Iwan fährt einen T4 (VW Van) mit einer super Ausstattung. Er meinte, dass er ihn aus Deutschland hat. Das Haus ist schön eingerichtet und es gab einen Computer mit Internetanschluss. Es war wie ein Schalter umlegen: Klick, und alles ist schöner. Dann wurde ich auch gleich wieder aus dem Computerzimmer entführt. Ich musste zum Essen. Es gab Pizza, Eierkuchen (Pfannkuchen) mit Honig, Schnittchen mit Käse und Wurst, Kuchen, Tee usw.... Krass.
Nach zwei Stunden Aufenthalt stellten wir fest, dass es schon 14 Uhr ist. Mist, es ist ja schon 15 Uhr. Wir haben vergessen, dass wir schon zum wiederholten Male die Uhr eine Stunde vorstellen müssen. Es ging also weiter. Wir fuhren mit Iwan aus der Stadt. Er zeigte uns den besten Weg. Dann hielt er an, verabschiedete sich und drückte mir Geld in die Hand. Er meinte, das wir uns was zu Essen davon kaufen können. Ich konnte nicht ablehnen.

Also weiter aufs Rad und ab. 20 Uhr hatten wir dann 70 km hinter uns und wollten nur noch ins Bett. Wir fragten in einem kleinen Dorf eine Frau (Natascha), ob wir bei ihr zelten können und sie stimmte zu. Zeltaufbau, staunende Familienmitglieder, ein klasse Abendessen mit Freunden... Wahnsinn! Dieser Tag war einfach nur toll und äußerst erlebnisreich!

Sonntag, der 31.05.2009 Sverdlovsk (Pausentag)

[Katja] In der Nacht war Falk sehr aufmerksam. Gegen 24 Uhr hat jemand an der Rezeption geklingelt. Nach einem kurzen Gespräch kehrte auch gleich wieder Ruhe ein. Gegen fünf Uhr das gleiche Spiel noch einmal. Zum Glück steht das Bike nicht weit von unserem Zimmer entfernt und wir schlafen unweit der Rezeption. Wir bekommen also viel mit, das beruhigt etwas. Morgen werden wir hier so schnell wie möglich verschwinden. In Russland soll es zwar nicht besser werden, aber da haben wir mehr Ausweichmöglichkeiten. In diesem Ort müssen wir bleiben, damit wir es nicht mehr so weit bis zur Grenze haben.
Soeben kamen wir vom Einkaufen zurück. Wir haben unsere Vorräte aufgestockt und mussten ja auch noch unsere letzten Grywna los bekommen. Somit hatten wir noch ein wenig mehr Einblick in dieses Viertel. Es ist ein typisches WK-Viertel aus der Zeit vor 1989, wie in Hoyerswerda der WK 8, das Heckert in Chemnitz, Gera/Lusan oder Grünau in Leipzig. Nur hier wurde in den letzten 20 – 30 Jahren nichts erneuert. Die Häuser sind verfallen, die Straßen kann man als solche nicht bezeichnen. Fernwärmerohre liegen offen und ich glaube nicht, dass die noch funktionieren. Hunde treten in Rudeln auf und Katzen springen auch überall umher, denn die haben keine Besitzer. Echt schlimm.
Falk hatte gestern noch ein wenig Muse, sich mit der Administratorin zu unterhalten. Er fragte, ob die Leute hier kriminell sind. Sie verneinte diese Frage und sagte, dass die Leute hier sehr arm sind, kein Geld hätten und wir auf uns aufpassen sollen. Für mich klingt diese Aussage eher wie ein deutliches Ja. Nur mit dem Hintergrund, dass man nicht reich sein muss, um vernünftig zu sein. Weiter erzählte sie, dass sie studiert hat und früher die englische Sprache sehr gut beherrschte, ihr aber mittlerweile viel Wortschatz abhanden gekommen sei, weil sie das Wissen nicht anwenden konnte. Die Leute die hier wohnen, haben keine Arbeit. 25000 Menschen arbeiteten hier früher in den Schächten (Shachtars). Jetzt haben nur noch 5000 Arbeit. Viele sind arbeitslos. Wenn wir 1989 nicht die Wiedervereinigung gehabt hätten, würde es in vielen Teilen Ostdeutschlands auch so aussehen.

Fazit der Ukraine.

[Falk & Katja] Wir erlebten die Ukraine arm und gefährlich, aber auch herzlich, gastfreundlich und als wunderschönes Land. Jetzt könnten wir es kurz machen. Wir möchten trotzdem noch etwas schreiben, weil wir von ein paar Situationen und Gegebenheiten immer noch sehr überrascht sind. Wer keine Lust zum Lesen hat, kann dann gerne bei Russland weiter lesen.
Trotz aller Warnungen und Gefahren erlebten wir die Ukraine als sicheres Reiseland. Es gibt hier nur sehr wenige Touristen und das Land ist auch nicht darauf ausgelegt. Ich persönlich finde dies sehr schade, denn es gibt hier echt einiges zu sehen und zu erleben. In einem Reiseführer haben wir gelesen, dass man ohne Sprachkenntnisse nicht in die Ukraine reisen sollte und wenn überhaupt, dann nur mit einem ortskundigem Übersetzter, der gut geschmiert (bezahlt) wird.
Wenn man keine Sprachkenntnisse hat, ist es sicherlich schwer. Doch auch wir, quasi ohne ein Wort Russisch oder Ukrainisch, haben es geschafft bei einigen Menschen tief in das Leben einzudringen. Nicht als Fremdkörper, sonder als Freunde die wissen möchten, wie das Leben in der Ukraine wirklich ist. Es war an manchen Punkten so tief, dass es fast weh getan hat, das hier zu sehen. Heute können wir sagen, dass unsere Sicht auf die Dinge und wie Dinge in Deutschland laufen eine andere ist. Wir sind, wenn man den ganzen Weg nach Peking betrachtet, immer noch am Anfang unserer Reise.
Es hat sich dennoch zum Leben in Deutschland schon einiges verändert. In den Gesichtern der Ostukrainer erkennt man langsam einen asiatischen Touch. Wie schon einmal erwähnt, ist das Einkaufen hier völlig anders als in Deutschland. Selbstbedienung ist ein Novum und nur in großen Städten möglich. Es gibt zwar alles, nur weiß man nie wo. Alles ist günstig, wenn man auf die einheimischen Produkte zurückgreift. Wenn man die „imperialistischen“ Westprodukte kauft, wird man komisch angeschaut und es ist im Verhältnis sehr viel teurer.
Die Autos hier sind auf dem Land größtenteils alt und oft aus Westeuropa importiert. Natürlich werden auch viele Ladas und Wolgas gefahren. Je näher man aber an Städte kommt, desto größer und neuer werden auch die Autos. Hier findet man dann eher neue Chevrolet, Hyundai, Nissan - aber auch große BMW, Mercedes, Bentley, Porsche usw. usw. Ein Großteil des Personennahverkehrs wird mit neueren Tatrabussen bewältigt. In großen Städten gibt es Elektrobusse mit Oberleitungsschleifkontakten oder Straßenbahnen. In Kiew und Dnipropetrovsk gibt es sogar eine Metro, auf die man hierzulande sehr stolz ist.
In der Ukraine wird sich nicht angeschnallt. Wir wurden ausgelacht, als wir zu den Gurten griffen. Zumal die Schnapper unerreichbar unter den Sitzen verschollen waren. 90 Prozent der Autos haben getönte Scheiben und zwar alle Seitenscheiben, bei vielen ist sogar auch die Frontscheibe getönt. Das ist zwar wie in Deutschland verboten, aber es interessiert niemanden.
Es gibt nur sehr wenige Fahrbahnmarkierungen. Sie fehlen in den kleinen Städten sogar meistens komplett. Es wird viel gehupt, gedrängelt und gerast. Viele Straßen befinden sich in einem furchtbaren Zustand. Es gibt aber auch Ausnahmen, vor allem in und um Donetsk waren die Straßen gut bis sehr gut.
Fahrradfahrer gibt es nur auf dem Land. Und da auch nicht sportlich, sondern rein zweckmäßig orientiert. Es gibt so gut wie keine Radwege und wenn, dann sind diese eher kurz und nicht befahrbar.
Wir werden definitiv noch einmal in dieses Land zurückkommen.
Die Ukraine ist klasse, auch wenn man immer aufpassen muss..

Samstag, der 30.05.2009 Sverdlovsk



(Falk) So, die letzten beiden Tage in der Ukraine. Das auf und ab geht immer weiter. Heute haben mich meine Knie in Ruhe gelassen. Ich hoffe, dass das so bleibt. Wir nächtigen in einem kleinem Hotel mitten in einem Neubaugebiet. Ziemlicher Mist hier. Ich habe überhaupt kein gutes Gefühl. Nach einigen Diskussionen mit der Administratorin und dem Chef durften wir das Tandem ins Hotel stellen. Dass wir das Tandem rein stellen sollen, hat uns ein Einheimischer dringend geraten. Wir müssen zum Schluss noch einmal richtig auf uns aufpassen. Es lässt sich leider nicht vermeiden, dass sich herum spricht, dass wir hier sind. Jetzt gerade im Restaurant kam ein junger Kerl rein. Wir haben ihn vorher noch nicht gesehen. Er ging zum Tresen und erzählte den Bedienungen und den dabei stehenden Polizisten, woher wir kommen, das wir mit dem Fahrrad unterwegs sind und hier schlafen. 
Tja, wir verstehen Russisch immer besser. Aber komisch ist das schon. Na ja, als wir dann raus sind, schnorrte mich einer nach Zigaretten an. Das wiederum wollte ich dann nicht verstehen. Der Typ stand schon bei unserer Ankunft am Hotel, nahm einfach eine unserer Flaschen und trank daraus. Ekelhaft! Ich hoffe, dass die uns in Ruhe lassen. Mal schauen wie die Nacht wird. Trotz allem, das Hotel ist sauber und wir können uns ein wenig mit Englisch behelfen. Leider gibt es hier weit und breit keine andere Bleibe, also müssen wir jetzt da durch. Einen Tag halten wir schon noch aus. Dann werden wir hoffentlich durch Russland "fliegen", wenn die Knie halten.

Freitag, der 29.05.2009 Kr. Lutsch

[Falk] Wir sind wieder ein Stück näher an der Ukrainisch-Russischen Grenze. Wenn wir uns anstrengen, können wir sie morgen erreichen. Doch soweit wollen wir noch nicht. Wir werden uns in Svertlovstk einen Bleibe suchen, einen Tag überbrücken und dann nach Russland rüber fahren. Wir sind gespannt, wie wohl dieser Grenzübergang wird. Nach den Erlebnissen von den hinter uns liegenden Einreisen erwarte ich das Schlimmste - und hoffe das Beste...

Tja, ich hatte heute wieder einmal heftig mit meinen Knien zu tun. Kurzzeitig erwischte ich mich bei dem Gedanken, warum ich das hier eigentlich mache... 40 km Schmerzen. Da standen wir nach sieben Tagen Urlaub schon etwas resigniert in der Weltgeschichte herum. Es ging heute immer nur bergauf / bergab. Zum Abschied quasi. Wer sich so masochistisch verhalten möchte wie wir das gerade tun, der nehme sich ein Fahrrad und fahre sechsmal auf der rechten Seite der Mulde von Rochlitz nach Colditz. Viel Spaß dabei. Wer hat eigentlich in den Reiseführer geschrieben, dass die Ukraine flach ist? Federt ihn! Ich habe mich dann besonnen, den Fehler bei mir gesucht und noch eine hoffentlich letzte Einstellung am Sitz vorgenommen. Wir können jetzt eine noch höhere Trittfrequenz fahren, was mir am Berg gut tut und die letzten 30 km einigermaßen geholfen hat. Mal sehen, wie wir morgen fahren. Ich erwarte, dass die Hügel, respektive Berge, nicht flacher werden.

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