Montag, 10. August 2009

Montag, der 10.08.2009, China!! 40 Kilometer hinter Korgas

[Falk] Die ersten zehn Kilometer gehen schön bergauf, bis auf knapp 1000 Meter. Wir haben uns gestern noch einmal richtig mit Flaschenwasser gewaschen. Vier Tage sind wir jetzt seit Almaty unterwegs und das wollen wir keinem chinesischen Grenzer antun. Wir erreichen also den ersten Grenzposten in Kasachstan. Der Grenzer bedient nur eine Schranke. Er schaut unsere Pässe an und lässt uns passieren. Wir fahren durch einen fünf Kilometer breiten Streifen zum nächsten Kontrollpunkt. Auf diesem Weg fahren wir durch eine zum Teil verlassene Grenzstadt. Hier sieht es wieder so aus, wie wir uns die tiefsten Sowjetzeiten vorstellen. Die Gebäude aus sozialistischer Architekturfeder, mit grauen und schmutzigen Fassaden.
Der zweite Kontrollpunkt. Wir zeigen wieder unsere Erstpässe. Hier werden wir das erste Mal gefragt, ob wir Chinavisa besitzen. „Kitai Visa jest!“. Wir dürfen weiter. Wir kommen an ein Haus, an dem wir nicht wissen, was wir tun sollen. Ich gehe hinein und frage, was jetzt auf uns zukommt. Der Grenzer meint, wir müssen mit unserem Fahrrad durch die Fußgängerzone. Ukrainische Verhältnisse, wer sich noch erinnern kann... Eine enge Passage, die für uns nicht ohne Probleme passierbar ist. Der Hausmeister wird geholt und nach kurzer Diskussion sieht er ein, dass er am kürzeren administrativen Hebel sitzt und macht die Flügeltür auf. Wir rollen ein.
Dritte Kontrolle, Abteilung Ausfuhr. Irgendwas zum verzollen, Dollar oder so? „Nein“. Weiter geht’s zur vierten Kontrolle, Ausreisestempel. Unsere Pässe werden geprüft, geprüft und geprüft. Ich frage: „You are looking for the Chinavisa?“. „Yes, I can't find it.“ „We have second passports“. Herzklopfen! „Ok, give me“. Ich gebe ihr unsere Zweitpässe. Jetzt geht alles ganz schnell. Ausreisestempel Nummer eins in Katjas Pass, Ausreisestempel Nummer zwei in Falks Pass. Zu unserer Überraschung keine weiteren Fragen. Wir dürfen nun weiter gehen. Kontrollpunkt Nummer 5, Ausgang. Nein, Ihr dürft hier mit dem Fahrrad nicht raus. Warum? Weil Fahrräder nicht über das Niemandsland fahren dürfen. Ihr müsst in einen Buss steigen und die 200 Meter mitfahren. So wird's uns erklärt.
Wir wollten immer freundlich bleiben. Ich erwische mich nun aber beim ersten Busfahrer, der schnelles Geld von uns riecht und dem das Rücklicht von unserem Hänger abgebrochen ist, beim: „So eine Scheiße, nimm deine Finger weg!“ Beim zweiten Busfahrer, der eine etwas größere Öffnung am Bus hat: „Das geht nicht in so einen Scheiß Bus rein.“ Ok, ruhig bleiben. Ich spreche mit einem der Grenzer, ob es nicht doch möglich ist, mit dem Fahrrad zu fahren. Er telefoniert und gestikuliert etwas unfreundlich. Dann deutet er an, dass wir fahren sollen. Wir fahren also zum vermeidlich letzten kasachischen Grenzer.
Nein, hier gehe es nicht weiter, denn Vorschrift ist nun mal eben Vorschrift. Wir müssen wieder zurück. Wieder wilde Diskussionen, dann wieder das Zeichen zum fahren. Diesmal müssen wir aber unmittelbar hinter einem Bus fahren und dürfen nicht zu weit von ihm weg. Der Grenzer lässt uns endlich passieren. Niemansland. Noch eine kasachische Schranke und noch größere Bauklötze von einen weiteren Grenzer. Der hat aber schnell verstanden und macht die Schranke auf. Und, da ist sie auch „schon“, die chinesische Grenze. Wir halten an einem Medizincheckpoint an. Ein chinesischer Arzt und zwei Grenzer mit Mundschutz begrüßen uns etwas verhalten. „Please, wait hear!“ Wir holen unsere Zweitpässe raus. Nach zehn Minuten kommt eine Mann in Zivilkleidung zu uns. „Hello, how are you?“ Wir erzählen ihm unsere Geschichte. Er ist sehr nett und spricht fließend englisch. Wir müssen nicht zu diesem Medi-Check und werden gleich zum Chef der Medizin weiter geleitet. Fieber messen und die Frage nach Beschwerden. Nein, wir haben nichts und mit 35,2 und 35,8 °C ist auch alles normal. Jeweils zwei verschiedene Formulare in englischer Sprache müssen wir noch ausfüllen, dann dürfen wir in die Kontroll-Halle. Wir werden an allen vorbei geführt und gehen direkt an den Schalter. Wir haben schon wieder das Gefühl, dass uns alle hassen. Die Halle, in der wir sind, ist freundlich und hell. Es sieht ein wenig aus wie am Leipziger Flughafen. Alles ist sehr geordnet und freundlich. Wir bekommen ohne Probleme unseren Einreisestempel. Jetzt dürfen wir wieder zu unserem Fahrrad zurück und durch die ganze Halle zur Gepäckkontrolle. Wir brauchen uns schon wieder nicht anzustellen. Wir bauen alles ab und schieben unsere Sachen durch den Scanner. Alles ok? Willkommen in China. Wir sind in CHINA!!!


So, und jetzt? Ein mal Film wechseln, bitte. Hier ist alles anders. Dreirädrige Autos fallen uns als erstes ins Auge. Alles ist bunt, fast grell und kitschig. Korgas ist nur ein Fleck auf der Landkarte und doch erscheint dieser Grenzort riesig. Wir werden von vielleicht 50 Leuten gleichzeitig gefragt, ob wir Geld wechseln möchten. Ich habe unseren englisch sprechenden Grenzer nach den Kurs gefragt, um nicht abgezockt zu werden. 1000 Tenge sind ungefähr 44 Yuan. Wir haben erst mal keinen Bock zu tauschen, wenn 50 andere um uns herum stehen. Also fahren wir los und lassen die Jungs da ziemlich im Wald stehen. Einer kommt uns mit seinem Motorrad hinterher. Clever, wir halten nach zwei Kilometern an und machen mit ihm den Tausch unserer letzten Tenge gegen Yuan. Dann kommt unser Kommunikationsoffizier von der Grenze an uns vorbei und fragt ob er helfen kann. Ja, denn wir suchen was zu Essen. Wir laden ihn ein und quatschen ein bisschen. Er beruhigt uns und meint, Ueruemqi sei ruhig und wir brauchen keine Angst zu haben. Dann fahren wir endlich weiter. Natürlich auf die Autobahn - und die hat es in sich. Alles ist hier perfekt. Die mintgrünen Leitplanken haben kein Ende und sind absolut durchgängig. An den Seiten befinden sich Zäune. Diese sind komplett geschlossen, es gibt keine Lücken. Man kommt auf diese Autobahn nur über Zufahrten. Das Problem dabei, wir kommen auch nicht runter wenn wir wollen. Der Fahrbahnbelag ist genauso perfekt und sogar mit Brückenübergängen die man nicht merkt. Der Wahnsinn! Wir fahren 30 km und entscheiden uns, an einer Ausfahrt runter zu fahren. Das war wohl ein Fehler. Hier gibt es quasi keine Straße mehr. Nur einen Felgen fressenden Feldweg. Ich hoffe, dass uns jetzt nicht die Felgen platzen. Wir fahren in ein Dorf, in dem wir eigentlich schlafen wollen. Wir halten an und fragen jemanden. Er zeigt auf ein Haus. Dann spricht uns ein Mann auf englisch an, ob er uns helfen kann. Er verhandelt mit der Besitzerin des Motels. Sie meint, dass wir zuerst zur Polizei müssen und uns registrieren sollen. Ok, kein Problem, auf geht’s. Kennen wir ja von Russland schon. Der Mann kommt mit mir um zu übersetzen, Katja bleibt beim Bike. Auf der Polizeistation werden unsere Pässe sehr genau kontrolliert. Woher wir kommen und was wir hier machen. Ich erkläre ihnen alles. Dann meint der Polizist, dass wir hier in dieser Stadt nicht schlafen können und zurück nach Kogros fahren sollen. Ich verlasse deprimiert die Polizeistation. Leider ohne Mark, der mich begleitete, den haben sie einbehalten. Dann laufe ich zurück zu Katja, um ihr die Nachricht zu erklären. Nach etwa zehn Minuten kommt dann Mark noch einmal vorbei. Ich frage ihn was passiert ist. Er winkt ab und sagt nichts mehr. Ich frage ihn ob die Polizei was dagegen hätte, wenn wir einfach weiter fahren. Es war mittlerweile 20 Uhr. Er meint dann, dass es sehr gefährlich sei, da die Straße irgendwann aufhöre und es dunkel wird. Die Polizei hat aber explizit nicht ausgeschlossen, dass wir weiterfahren dürfen. Ich bedanke mich bei ihm für seine Mühen und wir fahren weiter. Wieder auf diese Autobahn. Jetzt scheißt es uns richtig an. Es kommt 30 km keine Ausfahrt. Katja ist völlig fertig und möchte auf den 30 Zentimetern zwischen Leitplanke und Zaun pennen. Ich erwische mich auch bei diesem Gedanken. Unser erster Tag in China hat es in sich! Es wird dunkel und der blöde Busfahrer hat unser Rücklicht an der Grenze abgebrochen. Das Frontlicht geht und das Rücklicht kriege ich irgendwie wieder dran. Dann raucht es vor uns wie bei einem großem Feuer. Wir kommen näher und näher. Die Straße hört auf. Es staubt so sehr, dass man denken kann es brennt. Der Fuß unseres nächsten Passes ist erreicht. Wir reden schnell miteinander und machen aus, dass wir noch zehn Minuten fahren, nachdem wir das letzte Haus mit Licht gesehen haben und uns dann einen Platz zum schlafen suchen. Mitten im Dunkeln fahren wir im dichten Verkehr auf einer nicht befestigten Fahrbahn. Das ist auf jeden Fall ziemlich bescheuert. Ich versuche, irgendwas am Rand zu erkennen. Keine Chance. Wir halten an und ich sehe meine eigene Hand vor Dunkelheit und Staub nicht mehr. Am Rand erkenne ich eine kleine Ausbuchtung, in der wir das Bike abstellen und unser Zelt aufbauen. Unsere erste Nacht in China. Felgenstatus: Hier ist es zu staubig, um nachzuschauen.

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